" … Das LG nimmt entgegen der Auffassung der Berufung des Bekl. zu Recht an, dass der Kl. aktivlegitimiert ist. Dem steht § 116 Abs. 1 SGB X und die von der Berufung des Bekl. zitierte Entscheidung des BGH v. 24.4.2012 – VI ZR 329/10 – VersR 2012, 924 nicht entgegen. Danach findet der in § 116 Abs. 1 SGB X normierte Anspruchsübergang in aller Regel bereits im Zeitpunkt des schadensstiftenden Ereignisses statt, da aufgrund des zwischen dem Geschädigten und dem Sozialversicherungsträger bestehenden Sozialversicherungsverhältnisses von vornherein eine Leistungspflicht in Betracht komme. Es handelt sich danach um einen Anspruchsübergang dem Grunde nach, der den Sozialversicherungsträger vor Verfügung des Geschädigten schützen soll (BGH, a.a.O., Rn 9; Urt. v. 30.11.1955 – VI ZR 211/54, BGHZ 19, 177, 178 = VersR 1956, 97; Urt. v. 8.7.2003 – VI ZR 274/02, BGHZ 155, 342, 346 = VersR 2003, 1174 f.; Urt. v. 17.6.2008 – VI ZR 197/07, VersR 2008, 1350 f. und v. 12.4.2011 – VI ZR 158/10, BGHZ 189, 158 = VersR 2011, 775; Urt. v. 10.7.1967 – III ZR 78/66, BGHZ 48, 181, 184 ff. = VersR 1967, 974 ff.). Allerdings erfolgt ein Anspruchsübergang auf den Sozialversicherungsträger dann nicht im Zeitpunkt des Schadenseintritts, wenn die Entstehung einer Leistungspflicht völlig unwahrscheinlich, also geradezu ausgeschlossen ist (BGH v. 24.4.2012 – VI ZR 329/10, VersR 2012, 924, juris Rn 12). Eine solche Situation liegt vor, wenn davon auszugehen ist, dass die gesetzliche Krankenkasse sich nicht an den Kosten der Schadensbehebung beteiligen werde (BGH, Urt. v. 6.7.2004 – VI ZR 266/03, zfs 2005, 15 f. = NJW 2004, 3324). Wie das LG zutreffend ausführt, ist es nicht Sinn und Zweck des § 116 Abs. 1 SGB X, den Geschädigten zu verpflichten, seine Versicherung in Anspruch zu nehmen. Es soll vielmehr vermieden werden, dass der Geschädigte die Inanspruchnahme des Schädigers etwa durch Abtretung seiner Ansprüche nach Vorleistung durch die Krankenversicherung verhindert (BGH, Urt. v. 24.4.2012 – VI ZR 329/10 Rn 9). Der Schädiger soll durch die fehlende Inanspruchnahme der Krankenversicherung nicht besser gestellt werden als im Fall der Inanspruchnahme."

Nach der Rspr. des BGH (BGHZ 160, 26 ff. = Urt. v. 6.7.2004 – VI ZR 266/03, NJW 2004, 3324 ff. = MDR 2004, 1413 f. = zfs 2005, 15 ff. = r+s 2004, 1413 f.) kann die Haftpflicht des Schädigers die Übernahme einer privatärztlichen Behandlung über einen geschädigten Kassenpatienten umfassen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls feststeht, dass das Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung nur unzureichende Möglichkeiten zur Schadensbeseitigung bietet oder die Inanspruchnahme der vertragsärztlichen Leistung aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise dem Geschädigten nicht zumutbar ist (BGHZ 160, 26 ff. = BGH, Urt. v. 6.6.2004 – VI ZR 266/03, NJW 2004, 1180 f. = MDR 2004, 3324 ff. = r+s 2004, 523 f. = zfs 2005, 15 ff., juris Rn 12; Urt. v. 23.9.1969 – VI ZR 69/68, VersR 1981, 169 f.). Der Kl. begab sich vorliegend auf die für Schulterchirurgie spezialisierte A-Privatklinik nach H, um seine Rotatorenmanschettenteilruptur, eines Sehnenrisses der Rotatorenmanschette (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 265. Aufl. 2014, Stichwort Rotatorenmanschettenruptur) unter Einbeziehung eines älteres Abrisses der langen Bizepssehne behandeln zu lassen. Der Bekl. wendet mit seiner Berufung ohne Erfolg ein, das LG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass die gesetzliche Krankenversicherung des Kl., die I, die Kosten der Untersuchung der radiologischen Praxis über eine Schulter-NR v. 19.7.2010 ebenso übernommen habe wie die Behandlungskosten der Orthopädischen Praxis Dr. J. Es habe für den sich in S befindlichen Kl. keinen Grund gegeben, sich in eine Privatklinik nach H zu begeben.

Der Senat ist im Hinblick auf das Alter des Kl., der zum Unfallzeitpunkt bereits 74 Jahre alt war, der Auffassung, dass die Inanspruchnahme einer Behandlung in einer Vertragsklinik seiner gesetzlichen Krankenkasse nicht zumutbar war und er sich in einer auf Schulterchirurgie spezialisierten Privatklinik zur Behandlung seiner Rotatorenmanschettenteilruptur begeben durfte. Es war zu erwarten, dass seine gesetzliche Krankenkasse diese Kosten nicht übernehmen würde. Der Kl. ist hinsichtlich der Geltendmachung dieser Kosten aktivlegitimiert. …

3) Das LG hat dem Kl. unter Berücksichtigung der Haftungsquote von 40 zu 60 % zu seinen Gunsten ein Schmerzensgeld (§ 253 BGB) von 2.500 EUR zugesprochen. Das entspräche bei einer 100-prozentigen Haftung einem Betrag von 6.250 EUR. Die Höhe dieses Schmerzensgeldes ist nicht zu beanstanden. Dabei ist im Rahmen der Genugtuungs- und Ausgleichsfunktion neben dem Alter des Kl., der Dauer des stationären Krankenhausaufenthalts und der Beschwerden zu berücksichtigen, dass der Kl. durch die Unfallverletzung in seinem Freizeitverhalten, hier ein bis zweimaliges Rennkajakfahren in der Woche, eingeschränkt war.

Das LG Lüneburg hat in einem Urt. v. 8.6.1988 – 2 O 85/87 – zitiert nach juris = Hacks/W...

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