Ungeklärt ist die Frage, ob die Fluggastrechteverordnung auch für Flüge aus der Schweiz in Drittstaaten gilt. Der BGH hatte über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Die betroffene Reisende buchte bei einem in der Schweiz ansässigen Luftfahrtunternehmen einen Flug von Frankfurt/Main nach Zürich und einen direkten Anschlussflug von Zürich weiter nach Yaunde (Kamerun) mit Zwischenstopp in Duala (ebenfalls Kamerun). Zwar erfolgte der erste Flug von Frankfurt/Main nach Zürich noch pünktlich, jedoch verzögerte sich der Abflug des Anschlussflugs in Zürich um etwa 6 Stunden 10 Minuten. Der Flug endete dann in Duala, von wo aus die betroffene Reisende mit dem Bus nach Yaunde befördert wurde. Sie erreichte ihr Endziel letztlich erst mit mehr als 20 Stunden Verspätung. Geltend gemacht wurde die Ausgleichszahlung in Höhe von 600 EUR. In der ersten Instanz hatte das Amtsgericht[32] bereits die internationale Zuständigkeit deutscher Gericht verneint und die Klage daher als unzulässig abgewiesen. In der zweiten Instanz hielt das Berufungsgericht[33] die Klage vor deutschen Gerichten dann zwar für zulässig, aber in der Sache für unbegründet, weil die Verspätung erst bei einem Anschlussflug eingetreten sei, welcher nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union begonnen habe. Der BGH[34] bestätigt nun zwar die Position des Berufungsgerichts zur internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte, jedoch hält der BGH (anders als das Berufungsgericht) die Anwendbarkeit der Fluggastrechteverordnung auch für in der Schweiz startende Flüge für möglich. Bekanntlich zählt die Schweiz nicht zum Gemeinschaftsgebiet, allerdings sei die Fluggastrechteverordnung nach dem Wortlaut des Luftverkehrsabkommens[35] zwischen der Schweiz und der Europäischen Union seit Dezember 2006 auch für die Schweiz anzuwenden. Da ein Schweizer Gericht[36] jedoch entschieden habe, dass die Verordnung aufgrund des Abkommens nur auf solche Flüge anzuwenden sei, die zwischen der Schweiz und einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder umgekehrt verlaufen, hat der BGH die Frage der Anwendbarkeit der Verordnung nun dem für die Auslegung des Unionsrechts zuständigen EuGH vorgelegt.[37]

[32] AG Frankfurt/Main, Urt. v. 3.2.2012 – 32 C 1418/11 (18).
[33] LG Frankfurt/Main, Urt. v. 28.6.2012 – 2-24 S 48/12, BeckRS 2013, 07802.
[34] BGH, Beschl. v. 9.4.2013 – X ZR 105/12 (Pressemitteilung Nr. 59/2013), RRa 2013, 183.
[35] Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Luftverkehr vom 21.6.1999 in der Fassung des Beschlusses Nr. 2/2010 des Luftverkehrsausschusses Gemeinschaft/Schweiz vom 26.11.2010.
[36] Zivilgericht Basel-Stadt, Entscheide v. 11.3.2011 – V.2010.1734 und v. 15.5.2012 – V.2012.213; a.A. Bundesamt für Zivilluftfahrt (Schweiz), www.bazl.admin.ch/dienstleistungen/passagierrechte/01019/index.html.
[37] Beim EuGH geführt als Rechtssache C-259/13.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge