[…] II. Die Revision des Angeklagten hat Erfolg. Die Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 und 2 StGB) kann nicht bestehen bleiben. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei zur Tatzeit infolge vorangegangenen Alkoholgenusses, welcher zu einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,8 Promille geführt hätte, absolut fahruntüchtig gewesen, ist mit den Feststellungen im Urteil nicht in Einklang zu bringen. Die unzureichenden Angaben in den Urteilsgründen lassen entgegen der Rechtsauffassung der Generalstaatsanwaltschaft auch keine Korrekturberechnung zu.

1. Die Strafkammer ist von einer Tatzeit gegen 22.55 Uhr, zwei Blutentnahmen am Folgetag um 1.58 Uhr und 2.28 Uhr und von Blutalkoholkonzentrationswerten von 2,03 Promille (erste Probe) und 1,94 Promille (zweite Probe) ausgegangen. Sie hat zugunsten des Angeklagten unterstellt, er hätte nach der gegen 22.55 Uhr beendeten Fahrt "möglicherweise noch zwei Flaschen Bier" getrunken. Ohne weitere Feststellungen zum Gebinde, zum Alkoholgehalt, zum Trinkbeginn, zum Trinkende, zum Beginn und zum Ende des Nachtrunks sowie zum Körpergewicht und zur Konstitution des Angeklagten hat die Strafkammer das Resümee gezogen, dieser Nachtrunk habe zu einer Erhöhung der Blutalkoholkonzentration von 0,65 Promille führen können. Da zwischen der Fahrt und der ersten Blutentnahme jedoch ein Zeitraum von drei Stunden liegen würde und der Angeklagte halbstündlich "0,9" Promille (gemeint ist wohl 0,09 Promille) abgebaut habe, ergäbe sich eine Tatzeit-Blutalkoholkonzentration von 1,8 Promille.

2. Diese Ausführungen sind, worauf die Generalstaatsanwaltschaft zu Recht hinweist, nicht frei von Rechtsfehlern.

a) Anders als bei der Frage der Schuldfähigkeit ist zur Ermittlung der Fahrtüchtigkeit zugunsten des Täters die zur Tatzeit geringstmögliche Blutalkoholkonzentration zu berechnen (vgl. Fischer, StGB, 70. Aufl., § 316 Rn 16).

aa) Eine Rück- oder Hochrechnung vom Blutproben-Mittelwert auf die Tatzeit-Blutalkoholkonzentration ist zur Ermittlung der Fahrtüchtigkeit grundsätzlich möglich, jedoch unter Berücksichtigung rechtsmedizinischer Erkenntnisse nur für die Zeit der im Anschluss an den Zeitpunkt der vollständigen Resorption beginnenden Abbauphase (st. Rspr., vgl. bereits BGH, Beschl. v. 11.12.1973 – 4 StR 130/73, BGHSt 25, 246–252; BayObLG, Beschl. v. 29.11.1994 – 2St RR 212/94, juris Rn 17). Will der Tatrichter rückrechnen, muss das Ende der Resorptionszeit (und somit das Trinkende) feststehen (BayObLG, Beschl. v. 2.7.2001 – 1St RR 68/01, juris Rn 5; König in: LK StGB, 13. Aufl. § 316 Rn 30). Die Dauer der Resorptionsphase ist unter anderem von persönlichen konstitutionellen und dispositionellen Faktoren des Kraftfahrers, vor allem aber von der Trinkintensität (Alkoholmenge pro Zeiteinheit) während der Gesamttrinkzeit abhängig (BGH, Beschl. v. 11.12.1973 – 4 StR 130/73, BGHSt 25, 246–252, juris Rn 7). Die Resorption kann bis zu zwei Stunden dauern.

bb) Nach der gefestigten Rechtsprechung sind daher bei einem normalen Trinkverlauf ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen bei der Berechnung der Tatzeit-Blutalkoholkonzentration die ersten beiden Stunden nach Trinkende grundsätzlich von der Rückrechnung auszunehmen (BGH, Beschl. v. 25.9.2006 – 4 StR 322/06, juris Rn 4; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Aufl. § 316 StGB Rn 14; Fischer, StGB, § 316 Rn 19). Will der Tatrichter in einem konkreten Fall aufgrund besonderer Anknüpfungstatsachen von dieser Zeitspanne der rückrechnungsfreien Zeit zum Nachteil des Angeklagten abweichen, bedarf es dazu in der Regel der Anhörung eines Sachverständigen. Der Umstand, dass eine zweite Blutentnahme einen niedrigeren Blutalkoholkonzentrations- Mittelwert ergeben hat, lässt hingegen keine Rückschlüsse auf die Resorptionsdauer zu.

cc) Nach dem Resorptionsende darf nach den maßgeblichen forensisch-medizinischen Erkenntnissen bei der Rückrechnung (Hochrechnung) für die gesamte Dauer der Eliminationsphase nur ein gleichbleibender Stundenwert von 0,1 Promille angewendet werden. Dieser Wert stellt den statistisch gesicherten Mindestabbauwert dar, der jede Benachteiligung eines Kraftfahrers ausschließt und von dem ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht abgewichen werden darf (st. Rspr., vgl. Hentschel/Krumm, Fahrerlaubnis-Alkohol-Drogen, 8. Aufl., Erster Teil A III Rn 40). Aus der zweiten Blutprobe lässt sich nach rechtsmedizinischen Erkenntnissen kein individueller Abbauwert bestimmen (Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 10. Aufl., Rn 1850h).

b) Wird vom Angeklagten ein Nachtrunk behauptet, hat das Gericht – vor der Rückrechnung – zunächst zu prüfen, ob die Nachtrunkbehauptung als glaubhaft zu bewerten ist. Kann die Behauptung eines Nachtrunks nicht mit der erforderlichen Sicherheit widerlegt werden, so muss es klären, welche Alkoholmenge der Angeklagte maximal nach der Tat zu sich genommen haben kann (OLG Hamm, Beschl. v. 17.3.2009 – 5 Ss 71/09, juris Rn 22). Geht der Tatrichter von Nachtrunk aus, wird...

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