Hinweis

In dem Verfahren

gegen

Herrn/Frau …

wegen OWi-StVO

beantrage ich, das hiesige Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsbeschwerde in dem Verfahren mit dem Az.: 2 BvR 1167/21 auszusetzen.

Begründung:

Bei der hier gegenständlichen Geschwindigkeitsmessung werden vom Messgerät keine (Roh-)Messdaten gespeichert. Dadurch ist eine Überprüfung der Richtigkeit der Messung nicht gewährleistet, dass Messgerät ist letztlich eine "Blackbox", da eine Nachvollziehbarkeit der Messwertbildung nicht gegeben ist.

In technischer Hinsicht wäre aber eine Speicherung der Messdaten zur Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Messung technisch ohne weiteres möglich. Nur so ist für den Betroffenen und seinen Verteidiger gewährleistet, dass eine Überprüfung der Messung auf Fehler stattfinden kann.

Ob für Geschwindigkeitsmessanlagen eine Speicherung der (Roh-)Messdaten unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten erforderlich ist (so OLG Saarbrücken, Beschl. v. 2.11.2021 – SsBs 100/2021 [68/21 OWi]) ist Gegenstand der Verfassungsbeschwerde, die derzeit beim Bundesverfassungsgericht unter dem Az.: 2 BvR 1167/21 anhängig ist. Diese Frage ist aber für das gegenständliche Verfahren vorgreiflich, da die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch Auswirkungen auf das gegenständliche Ordnungswidrigkeitenverfahren hat. Somit ist das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auszusetzen. Dies wird hiermit beantragt.

Rechtsanwalt

 

Erläuterung:

Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr stellen ein Massendelikt dar, weshalb die Rechtsprechung sehr schnell Messgeräte als standardisiertes Messverfahren eingestuft hat. Ein standardisiertes Messverfahren ist ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche (Mess-)Ergebnisse zu erwarten sind (BGHSt 43, 277). Liegt ein standardisiertes Messverfahren vor, ist das Gericht nicht gehalten, die Ordnungsgemäßheit der Messung weiter aufzuklären, vielmehr ist es Sache des Betroffenen und seines Verteidigers, Anhaltspunkte für Fehler bei der Messung aufzuzeigen.

Derartige Messfehler sind aber aus dem Akteninhalt, den man üblicherweise im Rahmen der Akteneinsicht erhält, grundsätzlich nicht ersichtlich. Daher war es konsequent, dass zuletzt das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung 12.11.2020, Az. 2 BvR 1616/18 der weit verbreiteten obergerichtlichen Rechtsprechung Einhalt geboten und aufgezeigt hat, dass dem Betroffenen und seinem Verteidiger umfassende Akteneinsicht zu gewähren ist.

Ohne das Zurverfügungstellen der Rohmessdaten ist eine Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Messung in aller Regel nicht möglich. Aus etlichen Verfahren ist bekannt, dass anhand der Auswertung der Rohmessdaten nachvollzogen werden kann, ob die Messung ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Verschiedentliche Messgeräte wie Leivtec XV3 speichern jedoch keine Messdaten (mehr). Dies wäre allerdings technisch ohne weiteres möglich.

Sind die Messdaten nicht (mehr) vorhanden, so scheitert auch eine Überprüfung der Messung durch Sachverständige bzw. kann anhand von den vorliegenden Unterlagen allenfalls eine Plausibilitätsprüfung vorgenommen werden.

Daher ist zu Recht die Frage aufgeworfen, ob solche Messungen, die letztlich nicht überprüfbar sind, noch rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechen. Mit dieser Frage beschäftigt sich das Bundesverfassungsgericht im Verfahren 2 BvR 1616/18.

Es ist daher jedenfalls in den Verfahren, in denen Rohmessdaten von den Messgeräten nicht gespeichert werden, die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu beantragen, ansonsten wäre Rechtsbeschwerde einzulegen bzw. auch die Zulassung der Rechtsbeschwerde (vgl. zu Fällen des § 80 Abs. 2 OWiG: Cierniak/Niehaus, DAR 2018, 541 ff.) zu beantragen.

Autor: Dr. Matthias Köck

RA Dr. Matthias Köck, FA für Verkehrsrecht und FA für Arbeitsrecht, Nürnberg

zfs 12/2021, S. 663

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