ZPO § 256 Abs. 1

Leitsatz

1. Das für die Zulässigkeit einer auf die Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz wegen einer Verletzung des Körpers gerichteten Klage notwendige Feststellungsinteresse ist auch gegeben, wenn der Schadensersatzpflichtige geltend macht, er habe den Anspruch durch die bisherigen Leistungen erfüllt.

2. Die für die Begründetheit eines solchen Antrags notwendige Wahrscheinlichkeit eines (weiteren) Schadenseintritts ist bei Knochenbrüchen jedenfalls im Gelenkbereich regelmäßig gegeben.

KG, Urt. v. 16.4.2018 – 22 U 158/16

Sachverhalt

Der Bekl. zu 1) stieß mit seinem bei der Bekl. zu 2) haftpflichtversicherten Kfz gegen das von dem Kl. gesteuerte Moped. Der hierdurch stürzende Kl. rutschte gegen einen geparkten Lkw, wodurch er einen Bruch des Schultergelenks erlirr, der durch Einbringung von Stützmaterial behandelt wurde. Die Bekl. zu 2) ging davon aus, mit der von ihr geleisteten vorgerichtlichen Zahlung (8.000 EUR Schmerzensgeld, 500 EUR für beschädigte Kleidung und der erstatteten außergerichtlichen Anwaltskosten) den Kl. umfassend und abschließend entschädigt zu haben. Der Kl. hat neben der Zahlung weiteren Schmerzensgeldes den Ausspruch der Feststellung begehrt, dass die Bekl. zur Erstattung weiterer auf das Unfallereignis zurückzuführender Schäden verpflichtet sind. Das LG hat den Feststellungsantrag wegen fehlenden Feststellungsinteresses als unzulässig zurückgewiesen. Da zwischen den Parteien die Eintrittspflicht der Bekl. unstreitig sei und die Bekl. zu 2) den Schaden des Kl. vollständig ausgeglichen habe, fehle dem Feststellungsantrag das Feststellungsinteresse. Mit der Berufung verfolgt der Kl. sein Feststellungsbegehren weiter. Die Berufung hatte Erfolg.

2 Aus den Gründen:

"… 2. Entgegen der Auffassung des LG geht der Senat davon aus, dass die Voraussetzungen für die begehrte Feststellung nach § 20b Abs. 1 ZPO vorliegen, so dass der Klage insoweit stattzugeben und die Entscheidung des LG auf die Berufung entsprechend abzuändern ist."

a) Die auf die Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage ist zulässig.

Wie das LG zu Recht annimmt, besteht zwischen den Parteien ein Rechtsverhältnis i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO. Denn hierzu reicht ein Schuldverhältnis aus, nach dem die eine Partei der anderen zum Schadensersatz verpflichtet ist (vgl. BGH v. 26.9.1991 – VII ZR 245/90, juris Rn 8). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, weil der Bekl. zu 1) nach § 18 Abs. 1 S. 1 StVG i.V.m. § 7 Abs. 1 StVG und die Bekl. zu 2) als Haftpflichtversicherer nach § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG für den Schaden einzustehen haben, der dem Kl. wegen des Unfalls vom 10.7.2014 entstanden ist. Aufgrund der Schilderungen der Partelen ist dabei auch davon auszugehen, dass selbst unter Berücksichtigung einer Betriebsgefahr des von dem Kl. geführten Mopeds nach den §§ 18 Abs. 3, 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG eine Alleinhaftung der Bekl. gegeben ist.

Es ist aber auch von einem ausreichenden Feststellungsinteresse auszugehen. Das Feststellungsinteresse besteht, wenn dem subjektiven Recht des Kl. – hier dem Anspruch auf Schadensersatz – eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Bekl. es ernstlich bestreitet und wenn das erstrebte Urtell infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, dieser Gefahr zu begegnen (vgl. BGH v. 22.6.1977 – VIII ZR 5/76, BGHZ 69, 144 Rn 11; v. 13.1.2010 – VIII ZR 351/08, juris Rn 12; v. 16.9.2008 – VI ZR 244/07, VersR 2009, 121 = juris Rn 19). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Bekl. bestreiten zwar nicht ihre Verpflichtung, für den entstandenen Schaden einzustehen. Nach ihrer Auffassung sind sie aber, wie sich etwa aus der Klageerwiderungsschrift vom 19.10.2015 ergibt, nicht zur Leistung weiteren Schadensersatzes verpflichtet, der über die bereits von der Bekl. zu 2) erbrachten Leistungen hinausgeht. Insoweit wird sowohl das Entstehen weiteren Schadens bestritten als auch die Möglichkeit, dass sich aus der Verletzung des Kl. weitere nachteilige Folgen ergeben, die den Schadensersatzanspruch wieder aufleben lassen könnten. Dann aber ist ein entsprechendes Feststellungsurteil geeignet, nicht nur die Verpflichtung zur Leistung des Schadensersatzes festzulegen, sondern auch, eine zu erwartende Einrede der Verjährung zu verhindern, die ohne entsprechendes Urteil durchgreifen würde.

Der Kl. ist entgegen der Auffassung der Bekl. auch nicht zur Erhebung einer Leistungsklage verpflichtet, soweit er jetzt schon weiteren Schadensersatz begründen könnte. Denn der Kl. ist bei einer nicht abgeschlossenen Schadensersatzentwicklung nicht verpflichtet, alle bereits feststehenden Einzelansprüche mit der Leistungsklage geltend zu machen (vgl. BGH v. 20.2.1986 – VII ZR 318/84, juris Rn 13).

b) Die auf die Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage ist auch begründet.

Voraussetzung hierfür ist neben dem Vorliegen eines entsprechenden Rechtsverhältnisses, dass ein Schadenseintritt wahrscheinlich ist (vgl. BGH v. 12.11.1992 – V ZR 230/91, BGHZ 120, 204,Rn 25; v. 26.9.1991 – VII ZR 245/90, juris Rn 9; v. 25.11.1...

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