Leitsatz (amtlich)

a) Ein formelhafter – ohne ausführliche Belehrung und eingehende Erörterung seiner einschneidenden Rechtsfolgen gemäß § 242 BGB unwirksamer – teilweiser Ausschluß der Gewährleistung für Sachmängel beim Erwerb neuerrichteter oder noch zu errichtender Eigentumswohnungen und Häuser in notariellen Verträgen kann auch dann vorliegen, wenn die Freizeichnung „alle erkennbaren Mängel” betrifft (Fortführung von BGHZ 74, 204; BGH NJW 1982, 2243; 1984, 2094).

b) Der Besteller, der einen Kostenvorschuß einklagt, ist nicht gehindert, daneben die Feststellung zu begehren, daß der Unternehmer verpflichtet ist, auch die den Vorschußübersteigenden Mängelbeseitigungskosten zu tragen.

 

Normenkette

BGB § § 459 ff., § 633 ff.; ZPO § 256

 

Verfahrensgang

OLG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 07.11.1984; Aktenzeichen 2 U 124/84)

LG Oldenburg (Urteil vom 01.06.1984; Aktenzeichen 2 O 306/84)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird des Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 7. November 1984 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger und seine Ehefrau erwarben mit notariellem „Grundstückskaufvertrag” vom 20. Mai 1981 von dem Beklagten eine Doppelhaushälfte, die sie bereits im September 1980 – nach Fertigstellung – als Mieter bezogen hatten. In § 3 des Vertrags wurde u. a. folgendes geregelt:

„Die Käufer hatten ausreichend Gelegenheit, die Kaufsache zu besichtigen; deshalb ist für alle erkennbaren Mängel jegliche Gewährleistung ausgeschlossen. Soweit bis zum 31. August 1982 Baumängel zutage treten, hat der Verkäufer diese binnen angemessener Frist (nach Anzeige durch die Käufer) zu beseitigen. Für Armaturen, Aggregate, Elektrogeräte und Bauelemente gilt nur die Gewährleistung der jeweiligen Hersteller, d. h. der Verkäufer ist zur Mängelbeseitigung (Ersatzleistung etc.) nur verpflichtet, soweit ihm selbst gegen seine Vorlieferanten entsprechende Ansprüche zustehen. Ansprüche des Verkäufers an die Vorlieferanten werden an die Käufer abgetreten, die die Abtretung annehmen.”

Im Juli 1982 stellte ein von dem Kläger und seiner Ehefrau beauftragter Sachverständiger an dem Haus zahlreiche Mängel fest. Der Kläger und seine Ehefrau forderten den Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 11. August 1982 auf, die Mängel zu beseitigen. Da der Beklagte der Aufforderung nicht nachkam, beantragten der Kläger und seine Ehefrau am 30. August 1982 die Einleitung eines Beweissicherungsverfahrens.

Am 9. Januar 1984 trat die Ehefrau des Klägers sämtliche ihr „im Zusammenhang mit dem am 20.5.1982 (gemeint 1981) erfolgten Erwerb des Objektes … zustehenden Ansprüche” an den Kläger ab.

Mit der Klage verlangt der Kläger Zahlung von insgesamt 58.558,40 DM nebst Zinsen, und zwar 32.558,40 DM als Vorschuß für Mängelbeseitigung und 26.000,– DM als Minderungsbetrag. Außerdem begehrt er festzustellen, daß der Beklagte die den Betrag von 32.558,40 DM übersteigenden Kosten für die Beseitigung zahlreicher Mängel zu tragen hat.

Das Landgericht hat die Klage in vollem Umfang als unbegründet abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Zahlungsklage als unbegründet, die Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen. Mit der – angenommenen – Revision, die der Beklagte zurückzuweisen bittet, verfolgt der Kläger den Zahlungsanspruch und das Feststellungsbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht nimmt – unter Anwendung von Werkvertragsrecht – an, der Kläger könne weder Vorschuß noch Minderung verlangen. Durch die in § 3 des Vertrags wirksam vereinbarte Freizeichnung seien etwaige Ansprüche des Klägers ausgeschlossen. Die gesetzlichen Gewährleistungsregeln seien abdingbar, auch sei der Text der notariellen Urkunde eindeutig. Bei dem Vertrag handle es sich nicht um einen Formularvertrag, sondern um eine Individualvereinbarung, die nicht an den Vorschriften des AGBG zu messen sei. Da die hinsichtlich der erkennbaren Mängel an § 640 Abs. 2 BGB angelehnte Vertragsregelung dem Kläger für neu aufgetretene Mängel einen verschuldensunabhängigen Nachbesserungsanspruch belasse, benachteilige sie ihn auch unter Berücksichtigung von § 242 BGB nicht unangemessen.

Für die Ausfüllung des Begriffs „erkennbarer Mangel” komme nur ein objektiver Maßstab in Betracht. Es sei deshalb unerheblich, ob dem Kläger und seiner Ehefrau die Mängel aufgefallen seien. Da es nur auf die bloße Erkennbarkeit – möglicherweise durch einen sachverständigen Beobachter – ankomme, sei es auch ohne Bedeutung, ob der Kläger und seine Ehefrau subjektiv zum Erkennen in der Lage gewesen seien.

Wegen der erhobenen Klage auf Zahlung eines Vorschusses für eine umfassende Mängelbeseitigung fehle für den Feststellungsantrag das Rechtsschutzbedürfnis. Dieser Klageantrag sei daher unzulässig.

Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß für etwaige, aus dem „Grundstückskaufvertrag” vom 20. Mai 1981 sich ergebende Ansprüche des Klägers Werkvertragsrecht maßgebend ist. Zwar war das vom Kläger und seiner Ehefrau erworbene Haus bei Vertragsschluß bereits fertiggestellt. Auch haben die Parteien den Erwerbsvertrag ausdrücklich als Kaufvertrag und sich selbst als Käufer und Verkäufer bezeichnet. Da sich jedoch aus Inhalt, Zweck und wirtschaftlicher Bedeutung des Vertrags sowie aus der Interessenlage der Parteien die Verpflichtung des Veräußerers zu mangelfreier Erstellung des Bauwerks ergibt, richtet sich die Sachmängelhaftung nach Werkvertragsrecht (vgl. Senatsurteil NJW 1982, 2243 m.w.N.).

2. Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, daß der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag kein Formularvertrag, sondern eine Individualvereinbarung ist. Der den Vertrag beurkundende Notar hat kein von ihm stammendes Formblatt verwendet. Auch enthält der Vertrag keine Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von solchen Verträgen vorformuliert sind. Mit Recht hält das Berufungsgericht deshalb die Bestimmungen des AGBG für unanwendbar.

3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann der in § 3 des Vertrags enthaltene teilweise Gewährleistungsausschluß jedoch nicht allgemein als wirksam angesehen werden. Dies ist er gemäß § 242 BGB nur dann, wenn er mit dem Kläger und seiner Ehefrau unter Belehrung über die einschneidenden Rechtsfolgen eingehend erörtert worden ist.

a) Der Senat hat bereits wiederholt entschieden, daß jeder in einem Vertrag enthaltene formularmäßige Haftungsausschluß nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nur hingenommen werden kann, wenn er zuvor Gegenstand ausführlicher Belehrung und besonderer Vereinbarung gewesen ist. Dabei hat er darauf hingewiesen, daß häufig vorkommende Freizeichnungsklauseln, die in einem notariell beurkundetenFormularvertrag unwirksam wären, dann nicht als rechtsverbindlich anerkannt werden können, wenn sie nur formelhaft und ohne eingehende Erörterung ihrer einschneidenden Rechtsfolgen benutzt worden sind, gleichviel wie der Vertrag sonst gestaltet ist (Senatsurteil NJW 1984, 2094 m.w.N.).

b) Dieser gefestigten Rechtsprechung, die zumindest im Ergebnis vom Schrifttum weitgehend gebilligt worden ist, hält der in § 3 des Vertrags geregelte teilweise Gewährleistungsausschluß nicht stand. Nach der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung ist „für alle erkennbaren Mängel jegliche Gewährleistung ausgeschlossen”. Der Veräußerer übernimmt somit für Fehler des Hauses, auch wenn sie die Erwerber noch nicht erkannt haben, keinerlei Haftung. Lediglich für erst nach Vertragsschluß auftretende Baumängel räumt er den Erwerbern innerhalb einer bestimmten Frist einen Beseitigungsanspruch ein. Damit enthält die in § 3 des Vertrags vereinbarte Regelung einen typischen teilweisen Haftungausschluß des Veräußerers von neuerrichteten Häusern, wie er ähnlich in Formularverträgen häufig zu finden ist. Diese Regelung bevorzugt – wie die vollständige Freizeichnung – einseitig die Interessen des Veräußerers; sie soll ihn von der Gewährleistung für wesentliche Mängel freistellen, sofern sie nur bei Vertragsschluß erkennbar sind. Die Interessen des Erwerbers bleiben demgegenüber unberücksichtigt. Er kann allenfalls ihm vom Veräußerer abgetretene Gewährleistungsansprüche gegen die Vorlieferanten von Armaturen, Aggregaten, Elektrogeräten und Bauelementen geltend machen; gegen den Veräußerer selbst kann er nicht vorgehen.

Auch ein solcher teilweiser Gewährleistungsausschluß ist nur dann wirksam, wenn er mit dem dadurch benachteiligten Vertragspartner ausführlich erörtert wurde. Insbesondere muß der Erwerber nachhaltig über die einschneidenden Rechtsfolgen aufgeklärt werden, die mit einer derartigen Freistellung des Veräußerers verbunden sind. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der Gewährleistungsausschluß in einem bei Vertragsschluß verwendeten Formular enthalten ist oder ob er – als „häufig vorkommende Freizeichnungsklausel” – formelhaft in den Vertragstext übernommen wurde (Senatsurteile NJW 1982, 2243, 2244; 1984, 2094, 2095). Die hier gebrauchte Wendung ist nur eine nicht ins Gewicht fallende Abwandlung der für Gewährleistungsregelungen dieser Art vielfach benutzten Formeln. Sie ist auch in ihren Auswirkungen des völligen Ausschlusses der Haftung für einen wesentlichen Teil tatsächlich vorhandener Mängel den sonst vorkommenden Freizeichnungsklauseln gleichzustellen.

4. Dem Berufungsgericht kann auch nicht zugestimmt werden, wenn es für die Ausfüllung des Begriffs „erkennbarer Mangel” einen objektiven Maßstab heranziehen und auf die bloße Erkennbarkeit der Mängel möglicherweise durch einen sachkundigen Beobachter abstellen will. Eine solche Auslegung des in dem Vertrag enthaltenen Gewährleistungsausschlusses wird schon vom Wortlaut der Vereinbarung nicht gedeckt. In § 3 des Vertrags ist ausdrücklich geregelt, daß die Käufer ausreichend Gelegenheit hatten, die Kaufsache zu besichtigen und „deshalb” für alle erkennbaren Mängel jegliche Gewährleistung ausgeschlossen ist. Der Gewährleistungsausschluß geht somit eindeutig von der Erkennbarkeit der Mängel durch den Kläger und seine Ehefrau, nicht aber durch eine sachkundige Person aus.

5. Das Berufungsgericht hat über das Zustandekommen des in dem „Grundstückskaufvertrag” enthaltenen Gewährleistungsausschlusses keine Feststellungen getroffen. Es kann daher nicht beurteilt werden, ob bzw. in welcher Weise die Freizeichnung und ihre einschneidenden Rechtsfolgen von dem den Vertrag beurkundenden Notar mit dem Kläger und seiner Ehefrau erörtert wurden. Das Berufungsurteil kann somit in diesem Umfang nicht bestehen bleiben.

6. Aufzuheben ist es aber auch, soweit die Feststellungsklage des Klägers als unzulässig abgewiesen wurde. Zwar trifft es zu, daß die Verurteilung des Unternehmers zur Zahlung eines Vorschusses für eine umfassende Mängelbeseitigung zugleich die Pflicht zur Abrechnung enthält und nicht auf einen bestimmten Höchstbetrag beschränkt ist. Ebenso ist neben der vom Besteller erhobenen Vorschußklage eine Feststellungsklage zum Zwecke der Verjährungsunterbrechung entbehrlich (Senatsurteile BGHZ 66, 138, 142; 66, 142, 149). Dadurch wird aber eine Feststellungsklage des Bestellers, daß der Unternehmer zum Ersatz auch derweiteren Nachbesserungskosten verpflichtet sei, nicht unzulässig (a.A. Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 4. Aufl., Rdn. 362). Ein rechtliches Interesse für eine neben einer Leistungsklage erhobene Feststellungsklage ist immer dann gegeben, wenn der entstandene oder noch entstehende Schaden nicht bereits in vollem Umfang durch den Antrag auf Zahlung erfaßt wird (BGHZ 5, 314; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 13. Aufl., § 94 III 1 a). Der Besteller, der nicht zu überblicken vermag, ob der von ihm verlangte Vorschuß für die Mängelbeseitigung ausreicht, kann deshalb nicht gehindert werden,ergänzend die den Vorschuß übersteigende Kostentragungspflicht des Unternehmers feststellen zu lassen. Auch wenn eine solche Feststellung für die Unterbrechung der Verjährung unnötig erscheint, ist ein rechtliches Interesse des Bestellers daran doch zu bejahen.

7. Nach alledem ist das Berufungsurteil in vollem Umfang aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird nunmehr zu prüfen haben, wie die Vereinbarung über den teilweisen Gewährleistungsausschluß zustandegekommen ist, insbesondere, ob der Kläger und seine Ehefrau über die damit verbundenen einschneidenden Rechtsfolgen eingehend belehrt wurden und deshalb etwaige Ansprüche des Klägers wirksam ausgeschlossen worden sind.

 

Unterschriften

G, D, B, O, W

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 20.02.1986 durch Henco, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 512631

Nachschlagewerk BGH

DNotZ 1986, 610

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