" … II. 1. Die Haftung der Bekl. beruht auf §§ 18 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG, 421 BGB. Der Bekl. zu 1 haftet als Fahrer des Fahrzeugs, welches den Unfall verursacht hat. Die Bekl. zu 2 haftet als zuständige Haftpflichtversicherung. Die Voraussetzungen für eine Entlastung gem. § 18 Abs. 1 S. 2 StVG liegen nicht vor. Denn die Bekl. haben ein fehlendes Verschulden des Bekl. zu 1 nicht nachgewiesen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Bekl. zu 1 den Unfall bei gehöriger Aufmerksamkeit und/oder ausreichendem Sicherheitsabstand hätte vermeiden können (siehe unten). Der Gesamtschaden der Kl. ist i.H.v. 11.279,16 EUR unstreitig."

Die Kl. hat auf den Schaden am 11.3.2016 von ihrem Kaskoversicherer eine Leistung i.H.v. 6.117,61 EUR erhalten. In dieser Höhe ist der Schadensersatzanspruch mit der Zahlung gem. § 86 Abs. 1 VVG auf den Kaskoversicherer übergegangen. Gem. § 265 ZPO hat dieser teilweise Anspruchsübergang während des laufenden Prozesses auf das Verfahren keinen Einfluss, jedoch mit der Maßgabe, dass die Bekl. wegen des Anspruchsübergangs in Höhe des entsprechenden Teilbetrags Zahlung nicht mehr an die Kl., sondern an den Kaskoversicherer zu leisten haben. Der teilweise Anspruchsübergang betrifft den überwiegenden Teil der Reparaturkosten (6.617,61 EUR abzüglich Selbstbeteiligung in der Kaskoversicherung i.H.v. 500 EUR).

2. Eine Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge gem. §§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 3 StVG führt zu einer Haftungsquote von 100 %. Bei dieser Abwägung sind Verursachungsbeiträge nur insoweit zu berücksichtigen, als sie zu Lasten des jeweiligen Unfallbeteiligten nachgewiesen sind.

a) Der Bekl. zu 1 hat den Unfall verursacht durch einen schuldhaften Verkehrsverstoß. Er hat entweder infolge Unaufmerksamkeit auf das Bremsmanöver des vorausfahrenden Zeugen D zu spät reagiert (Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO), oder er hat keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten (§ 4 Abs. 1 S. 1 StVO). Diese Feststellung beruht – wie bei anderen Auffahrunfällen – auf den Regeln des sog. Anscheinsbeweises (vgl. Senat NJW 2013, 1968).

Für die Feststellung eines schuldhaften Verkehrsverstoßes des Bekl. zu 1) kommt es entgegen der Auffassung des LG nicht darauf an, ob der Zeuge D sein Fahrzeug grundlos abgebremst hat. Im Straßenverkehr muss jeder Fahrzeugführer grds. damit rechnen, dass das vorausfahrende Fahrzeug plötzlich abgebremst wird, auch wenn der nachfolgende Fahrzeugführer vorher nicht sieht – und auch nicht vorhersehen kann –, dass und warum es zu einem Bremsmanöver des Vordermanns kommt (vgl. BGH NJW-RR 2007, 680 = NZV 2007, 354; OLG Karlsruhe NJW-RR 1988, 28, 29; Senat NJW 2013, 1968; Wenker, jurisPR-VerkR 12/2013 Anm. 1; Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl. 2014, § 38 Rn 87). Der Anscheinsbeweis für das Verschulden des auffahrenden Kraftfahrzeugführers wäre nur dann erschüttert, wenn im konkreten Fall der Bremsweg für den Hintermann möglicherweise verkürzt wurde; dies kommt insb. in Betracht bei einem Spurwechsel des Vordermanns oder bei einem Auffahren des Vordermanns auf ein stehendes Hindernis, nicht jedoch bei einem plötzlichen Bremsmanöver des Vordermanns (vgl. BGH NJW-RR 2007, 680 = NZV 2007, 354). Soweit einzelne Gerichte eine Erschütterung des Anscheinsbeweises schon dann annehmen wollen, wenn der Vordermann grundlos stark abbremst (OLG Köln DAR 1995, 485; OLG Frankfurt a.M. NJW 2007, 87 = NZV 2006, 372), ist dem nicht zu folgen. Die genannten Entscheidungen des OLG Köln und des OLG Frankfurt berücksichtigen nicht, dass nach einem Auffahrunfall zwischen zwei verschiedenen Varianten des Anscheinsbeweises zu unterscheiden ist, nämlich zum einen zur Feststellung eines schuldhaften Verkehrsverstoßes des Hintermanns und zum anderen zur Feststellung der Alleinschuld des Hintermanns (vgl. Senat a.a.O. mit zustimmenden Anmerkungen von Wenker, jurisPR-VerkR 12/2013 Anm. 1 und Greger/Zwickel, § 38 Rn 87; vgl. im übrigen BGH VersR 1969, 859 = BeckRS 1969 30398412).

Für die Feststellung eines schuldhaften Verkehrsverstoßes des Bekl. zu 1 kommt es nicht darauf an, ob er – wie er selbst meint – einen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten hat. Wenn er einen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten hat, trifft ihn der Vorwurf einer verspäteten Reaktion (Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO). Denn der Bekl. war verpflichtet, auf das Bremsmanöver des Zeugen D auch dann rechtzeitig zu reagieren, wenn dieses nicht verkehrsbedingt gewesen sein sollte (siehe oben). Sollte dem Bekl. zu 1 hingegen, wie er meint, eine schnellere Reaktion nicht möglich gewesen sein, ergibt sich daraus die logische Konsequenz eines zu geringen Abstands (Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S. 1 StVO). Für die Entscheidung des Senats kann dahinstehen, welcher der beiden Verkehrsverstöße dem Bekl. zu 1 zur Last fällt.

b) Auf der Gegenseite ist zu Lasten der Kl. nur die einfache Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs zu berücksichtigen. Hingegen lässt sich ein schuldhafter Verkehrsverstoß des Zeugen D, welcher zu L...

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