BGB § 280

Leitsatz

Führt ein Skilehrer einen Skiunfall durch Durchführung der Skistunde auf einem nicht geeigneten Hang im allgemeinen Sportbetrieb auf einer blauen Piste durch, ohne auf die Einhaltung der FIS-Regel 5 durch die Schüler zu achten, liegt eine zum Schadensersatz verpflichtende, der Skischule gem. § 278 BGB zuzurechnende Schlechterfüllung des Unterrichtsverhältnisses vor.

(Leitsatz der Schriftleitung)

LG Deggendorf, Urt. v. 12.11.2014 – 22 O 298/14

Sachverhalt

Die Kl. beabsichtigte mit ihrer Familie das Skifahren zu erlernen. Sie begab sich in die Skischule des Bekl. und buchte für ihre Familie eine Unterrichtsstunde. Der bei dem Bekl. angestellte Skilehrer K führte die Kl. und ihre Familie auf die an diesem Tage vielbefahrene blaue Piste, die die Familie bis kurz vor der Talstation hinab fuhr und stehen blieb. Der Skilehrer wies die Kl. trotz von oben heranfahrender Skifahrer an, erneut loszufahren. Dieser Anweisung folgte die Kl. und startete. Nach wenigen Metern fuhr ihr ein von oben herannahender Skifahrer über die vorderen Ski. Die Kl. stürzte und erlitt eine Maisonneuve-Verletzung bei undislozierter proximaler Fibulafraktur und Syndemosenruptur des rechten Sprunggelenks. Dazu kamen Verletzungen des Tibiakopfes.

Die Kl. hat mit ihrer Klage die Verurteilung des Bekl. zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 5.000 EUR und Feststellung der Ersatzpflicht des Bekl. aufgrund weiteren immateriellen Schadens aus dem Unfall sowie auf Freistellung der Kl. von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten verfolgt. Hierzu behauptet sie, der Skilehrer habe sie gedrängt, trotz der von ihr geäußerten Bedenken wegen der sich von oben nähernden Skifahrer loszufahren und dazu geäußert, diese würden schon aufpassen. Nach dem Unfall habe er, nachdem sie ihn auf ihre Schmerzen im rechten Bein aufmerksam gemacht habe, unterlassen, den Skirettungsdienst zu benachrichtigen und sie aufgefordert, sie solle sich nicht "so anstellen". Das Verschulden des Skilehrers sieht die Kl. darin, dass er die erste Unterrichtsstunde auf einem stark befahrenen Hang durchgeführt habe. Damit habe er die Kl. Gefahren ausgesetzt, denen sie nicht gewachsen gewesen sei. Weiterhin habe der Skilehrer die Entfernung und Geschwindigkeit der sich von oben nähernden Skifahrer falsch eingeschätzt.

Der Bekl. meint, die Wahl der blauen Piste zur Durchführung der ersten Skistunde sei nicht zu beanstanden. Die Unachtsamkeit eines Dritten, die zu dem Unfall geführt habe, habe er nicht zu vertreten. Die Kl. habe den Skilehrer nicht über Schmerzen nach dem Unfall unterrichtet, sondern sei eigenmächtig weiter gefahren, was zu einer Vergrößerung der Verletzungen der Kl. geführt habe.

Das LG gab der Klage in vollem Umfang statt und erkannte der Kl. ein Schmerzensgeld von 5.000 EUR zu.

2 Aus den Gründen:

"Der beim Bekl. angestellte Skilehrer K, den sich der Bekl. zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient hat, § 278 BGB, hat den Skiunfall schuldhaft verursacht, weil er die erste Skistunde auf einem nicht geeigneten Hang durchführte. Nach übereinstimmendem Vortrag beherrschte die Kl. das Skifahren nicht und hatte ihre erste Übungsstunde beim Bekl. gebucht. Gem. Ziff. III “Sicherheitsvorschriften in Wintersportorten E (Skischulen, Skilehrer und Bergführer) Nr. 3‘ dürfen Skilehrer dem Schüler keine Risiken zumuten, denen diese mit ihren Fähigkeiten bei den gegebenen Schnee- und Witterungsverhältnissen nicht gewachsen sind. Aus diesen Gründen hat der Skilehrer mit seinen Schülern abseits vom allgemeinen Sportbetrieb zu üben und setzt die Skischüler den drohenden Gefahren des allgemeinen Sportbetriebes nicht aus (vgl. OLG Köln NJW 1982, 1110). Stattdessen hat der beim Bekl. angestellte Skilehrer die Übungsstunde auf einer blauen Piste im allgemeinen Sportbetrieb und das auch noch an einem Tag, an dem die Piste viel befahren war, erteilt und die Kl. sehr wohl den drohenden Gefahren des allgemeinen Sportbetriebes ausgesetzt. Er hat die Kl. sogar angewiesen, anzufahren, obwohl sich von oben andere Skifahrer annäherten. Zumindest hatte er es unterlassen, dafür Sorge zu tragen, dass die Kl., welche er anzuleiten hatte, nicht entgegen FIS-Regel 5 anfährt, obwohl sich Skifahrer von oben annäherten. Mit diesem Verfahren hat er gegen die oben aufgezeichneten Verpflichtungen aus dem Unterrichtsverhältnis verstoßen."

Ein Mitverschulden der Kl. ist nicht ersichtlich. Ein Mitverschulden wäre selbst dann nicht gegeben, wenn die Kl. auch ohne Anweisung des Skilehrers angefahren wäre. Es wäre nämlich die Pflicht des Skilehrers gewesen, die Kl. insoweit zu unterweisen und ein gefahrloses Anfahren zu ermöglichen. Dabei hatte der Skilehrer bereits bei der Wahl des Ortes, an dem er die Kl. unterrichtet, gegen seine Verpflichtungen aus dem Ausbildungsvertrag verstoßen.

Die Höhe des Schmerzensgeldes richtet sich nach Maß und Dauer der Lebensbeeinträchtigung, die Größe, Heftigkeit und die Dauer der Schmerzen und Leiden sowie auch dem Grad des Verschuldens und die Gesamtumstände des Falles (vgl. OLG München, Urt. v. 19.1.2...

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