Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflicht der Teilnehmer an einem Skikurs, übliche Rücksichtspflichten einzuhalten; Zusammenstoß ist durch Notsturz zu vermeiden

 

Normenkette

BGB §§ 249, 823

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 02.09.2010; Aktenzeichen 6 O 3183/10)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des LG München I vom 2.9.2010 - 6 O 3183/10, dahingehend abgeändert, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin ein Schmerzensgeld i.H.v. 4.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 19.11.2009 zu bezahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte 62 % und die Klägerin 38 %

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.000 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I. Der Darstellung eines Tatbestandes bedarf es nicht, denn der Wert der Beschwer des Beklagten übersteigt 20.000 EUR nicht (§ 26 Nr. 8 EGZPO). Nach herrschender Meinung ist § 313a ZPO, auf den § 540 Abs. 2 ZPO ausdrücklich verweist, auch auf Berufungsurteile anwendbar (Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl., Rz. 2 zu § 313a und Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., Rz. 2 zu § 313a).

 

Entscheidungsgründe

II. Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Zwar haftet der Beklagte der Klägerin für den verfahrensgegenständlichen Skiunfall in vollem Umfang, jedoch musste das vom LG ausgeurteilte Schmerzensgeld nach unten korrigiert und die Klage insoweit teilweise abgewiesen werden.

1) Der Beklagte haftet der Klägerin nach §§ 823, 249 ff. BGB in voller Höhe für den verfahrensgegenständlichen Skiunfall vom 28.3.2009. Ein Mitverschulden der Klägerin liegt nicht vor.

Gemäß Art. 40 Abs. 2 Satz 1 EGBGB ist deutsches Recht anzuwenden, da beide Parteien ihren Wohnsitz in Deutschland haben.

Die Klägerin ist durch das Verhalten des Beklagten am Körper verletzt worden. Es ist unstreitig, dass die Parteien am 28.3.2009 beim Absolvieren einer Übung im Rahmen eines Skikurses, bei welcher der Beklagte in der Reihenfolge nach der Klägerin fuhr, zusammengestoßen sind.

Hieran trägt der Beklagte die alleinige Schuld. Nach den Feststellungen des LG fuhr die Klägerin die geplante Übung vor dem Beklagten. Die Klägerin überquerte nach Abschluss des letzten Übungsschwunges die Piste, um zur Gruppe mit den Skilehrern zu stoßen. Sie hatte ihre Fahrt zwar stark verlangsamt, war aber nicht stehengeblieben. Der Anhalte- bzw. Treffpunkt bei der Gruppe war allen Kursteilnehmern bekannt.

Damit hat sich der Beklagte in einer Lage befunden, in der er die FIS-Regel Nr. 3 einzuhalten hatte, nach der der von hinten kommende Skifahrer seine Fahrspur so wählen muss, dass er vor ihm fahrende Skifahrer nicht gefährdet. Nach dieser Regel genießt der vorausfahrende Skifahrer uneingeschränkten Vorrang, wohingegen der hinterherfahrende Skifahrer genügend Abstand einhalten muss, um dem Vorausfahrenden für alle seine Bewegungen genügend Raum zu lassen. Der von oben kommende Skifahrer hat in vorausschauender Weise mit allen Bewegungen des unten Fahrenden zu rechnen, und zwar auch mit weiten Schwüngen, Schrägfahrten und Bögen mit großen Radien sowie jederzeitigen Richtungswechseln, und sein Verhalten darauf einzustellen. Er darf nicht darauf vertrauen, dass der vorausfahrende Skifahrer seine kontrollierte Fahrweise in einem bestimmten Pistenbereich beibehalten werde. Der vorausfahrende Skifahrer muss sich - auch nach der FIS-Regel Nr. 2 - nicht hangwärts nach oben und schon gar nicht nach hinten orientieren, da er dann der auch ihm nach der FIS-Regel Nr. 3 obliegenden Pflicht der Rücksichtnahme auf vorausfahrende Skifahrer nicht nachkommen könnte. Ihn trifft nach der FIS-Regel Nr. 2 grundsätzlich nur die Pflicht zur Beachtung der in seinem Gesichtsfeld liegenden Vorgänge (vgl. OLG Brandenburg vom 16.4.2008 - 7 U 200/07m. w. nw.).

2) Die Klägerin trägt kein Mitverschulden (§ 254 BGB). Sie hat nicht gegen die FIS-Regel 5 verstoßen, indem sie - zumindest teilweise - die Piste überquert hat.

Diese Regel gilt nach ihrer gezielt in diese Richtung vorgenommenen Änderung im Jahr 1990 nicht mehr für den Querenden. Durch die Änderung ist klargestellt, dass nur noch zwischen stehenden und fahrenden Pistenbenützern unterschieden werden muss. Bei den Letztgenannten sind Fahrtempo, Neigungswinkel und mehr oder weniger vollständiges Ausnützen der Pistenbreite (Schrägfahrten) keine diskutablen Unterscheidungs- und Zuordnungsmerkmale. Wer sich unter - auch äußerst geringfügiger - Ausnützung von Hangneigung und Schwerkraft bewegt, der fährt und unterliegt nicht mehr der FIS-Regel 5, sondern genießt gegenüber von hinten oder oben kommenden Skifahrern wieder den uneingeschränkten Vorrang gemäß FIS-Regel 3 (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2001, 1537).

Nach dem Ergebnis der vor dem LG durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere nach den protokollierten Angaben der Zeugen Z. und O. bremste die Klägerin nach ihrem letzten Linksschwung zwar ab, fuhr aber ohne Anzuh...

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