Aus den Gründen: „… Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch gem. §§ 1 Abs. 1 S. 1, 149 VVG a.F. i.V.m. §§ 1 Nr. I, 3 Nr. II AHB auf Ersatz der Leistung, die er auf Grund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eingetretene Tatsache der Zeugin B zu bewirken hat. Dies folgt daraus, dass die Beklagte nicht deshalb gem. § 152 VVG a.F. i.V.m. § 4 Nr. II. 1. S. 1 AHB leistungsfrei ist, weil der Kläger den Versicherungsfall (bedingt) vorsätzlich herbeigeführt hat. Danach sind von der Versicherung Ansprüche aller Personen, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben, ausgeschlossen.

1. Vorsatz ist wie auch ansonsten im Zivilrecht Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs (vgl. Prölss/Martin/Knappmann, VVG, 27. Aufl., § 152 VVG, Rn 2 m.w.N.). Dabei genügt bedingter Vorsatz, d.h. der Versicherungsnehmer muss den Erfolg als möglich vorausgesehen und für den Fall seines Eintritts billigend in Kauf genommen haben, wenn auch nicht in allen Einzelheiten (vgl. BGH VersR 1958, 469; BGH VersR 1964, 916 … ). Er muss alle zum haftungsbegründenden Tatbestand gehörenden Umstände in seinen Willen aufnehmen und im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit handeln …

Darüber hinaus muss sich der Vorsatz jedenfalls im Geltungsbereich des § 4 AHB nicht nur auf die Schadensursache, sondern auch auf die Schadensfolge, hier also die Körperverletzung beziehen (vgl. BGH NJW 1971, 1456, 1457; Senat VersR 1993, 1004 … ). Der Schaden muss zwar nicht in allen Einzelheiten vorhergesehen werden … Jedoch dürfen die eingetretenen Verletzungen nach Art und Schwere nicht von den vorgestellten Verletzungen wesentlich abweichen (vgl. OLG Düsseldorf VersR 1977, 745 … ). Es genügt, wenn der Versicherungsnehmer die Handlungsfolgen in groben Umrissen vorausgesehen hat. Er muss den Schaden jedoch nicht “auf Heller und Pfennig’ voraussehen (vgl. HG-VVG/Schimikowski, § 103 VVG Ziff. 7 AHB Rn 6) …

2. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen mindestens bedingten Vorsatzes trägt der Versicherer … Der Tatrichter hat sich gem. § 286 ZPO eine Überzeugung darüber zu bilden, ob der Nachweis geführt ist … Ein Anscheinsbeweis vorsätzlichen Handelns ist nicht gegeben, da es insoweit kein durch die Lebenserfahrung gesichertes typisches Verhalten gibt (vgl. BGH VersR 1988, 683, 684 … ). Es kommt daher immer darauf an, ob die Umstände des Einzelfalls die Annahme rechtfertigen, der Versicherungsnehmer habe die Schadenfolge zumindest billigend in Kauf genommen.

3. Auf Grund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger die konkret eingetretene Verletzung der Zeugin B vorsätzlich herbeigeführt hat.

Auf Grund der Aussagen der Zeugen C B, Y G, S C und T G steht fest, dass der Kläger bereits auf der Fahrt zu dem Konzert der “Toten Hosen’ und danach mehrfach angekündigt hat, die Zeugin B in die erste Reihe werfen zu wollen. Die Zeugin B hat dem Kläger gegenüber wiederholt erklärt, sie wolle dies nicht, da sie ein noch schmerzendes frisches Bauchnabelpiercing trage. Gleichwohl hat sich dann der Kläger innerhalb der Halle zu der Zeugin B umgedreht, sie an den Knien gepackt, hochgehoben und über seinen Kopf geworfen. Dadurch wurde die Zeugin über die Köpfe der anderen Konzertbesucher geschleudert, von diesen weggestoßen und fiel aus einer Höhe von ca. 2 m zu Boden. Zu diesem Zeitpunkt spielte eine Vorband, wobei die Halle noch nicht gefüllt war, sondern Lücken zwischen den Besuchern bestanden. Außerdem warf der Kläger die Zeugin in Richtung Bühne, auf die die Zuschauer blickten, sodass sie die Zeugin nicht sehen und sie gezielt auffangen konnten.

Diese Angaben der Zeugin C B haben die übrigen Zeugen im Kern bestätigt, wenngleich sich nicht mehr alle an jede Einzelheit erinnern konnten. Jedenfalls haben alle Zeugen gesehen, dass der Kläger die Zeugin B hochgehoben hat und sie dann auf den Boden gefallen ist. Hinzu kommt, dass die Zeugen bei ihrer Vernehmung im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren den von der Zeugin B geschilderten Hergang übereinstimmend in allen Einzelheiten bestätigt haben.

Die tatsächliche Würdigung des LG, dass sich der äußere Hergang in der von der Zeugin B geschilderten Weise abgespielt hat, ist nicht zu beanstanden …

4. Darüber hinaus ist dem LG auch zu folgen, soweit es ausgehend hiervon bedingten Vorsatz bezogen auf die Verletzungsfolgen verneint hat.

Die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls spricht zwar zur vollen Überzeugung des Senats dafür, dass der Kläger den möglichen Sturz der Klägerin und gewisse körperliche Verletzungen billigend in Kauf genommen hat.

Es handelt sich zwar entgegen der Auffassung des LG nicht um einen bei Konzerten u.U. üblichen Fall des “Stage Diving’, bei dem sich ein Musiker oder Zuschauer von der Bühne in den dicht mit Menschen gefüllten Saal wirft oder ein Zuschauer von einem anderen Konzertteilnehmer auf die Hände der dicht gedrängten Menge hochgeworfen wird. Ob in einem solchen Fall wegen der relativ sicheren Erwartung, die entsprechende Person werde...

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