“ … II. Auf den form- und fristgerecht erhobenen Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, § 346 Abs. 2 StPO) war der Beschl. des AG v. 19.5.2008 aufzuheben.

Unzutreffend ist das AG davon ausgegangen, dass der Lauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist gem. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, § 345 Abs. 1 S. 2 StPO mit Zustellung des Urteils am 16.4.2008 in Lauf gesetzt wurde. Da das Urteil vorliegend in Abwesenheit des Betroffenen verkündet wurde, begann die Rechtsbeschwerdeeinlegungsfrist gem. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, § 341 Abs. 2 StPO erst mit Zustellung des Urteils zu laufen. Die einmonatige Rechtsbeschwerdebegründungsfrist schloss sich gem. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, § 345 Abs. 1 S. 1 StPO an die Einlegungsfrist an und endete damit erst am 23.5.2008. Die Begründungsschrift des Betroffenen ist daher fristgerecht beim AG eingegangen, weshalb der Beschl. v. 19.5.2008 aufzuheben war.

III. Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG).

Zutreffend rügt der Betroffene mit der in zulässiger Weise erhobenen Verfahrensrüge eine Verletzung seines Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Der Betroffene beanstandet, das AG sei angesichts seiner vorliegenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Tag des Hauptverhandlungstermins rechtsfehlerhaft von seinem unentschuldigten Ausbleiben ausgegangen. Die Rechtsbeschwerde teilt die Entschuldigungsgründe und die Erwägungen des AG dazu, warum es das Entschuldigungsvorbringen als nicht ausreichend angesehen hat, mit und legt ferner dar, was der Betroffene im Falle seiner Anhörung geltend gemacht hätte. Eine Versagung des rechtlichen Gehörs ist damit ausreichend dargetan (OLG Rostock, VRS 108, 374).

Für den Begriff der genügenden Entschuldigung i.S.d. § 74 Abs. 2 OWiG ist nicht entscheidend, ob der Betroffene sich genügend entschuldigt hat, sondern ob er genügend entschuldigt ist (OLG Hamm, Verkehrsrecht aktuell 2006, 105; OLG Bremen, NZV 2002, 195). Beantragt der Betroffene – wie hier – unter Vorlage eines ärztlichen Attestes über Arbeitsunfähigkeit die Verlegung des Hauptverhandlungstermins wegen Krankheit und hält das Gericht dieses Attest hinsichtlich der Verhandlungsfähigkeit des Betroffenen für nicht aussagekräftig, muss sich das Gericht Kenntnis über die näheren Krankheitsumstände verschaffen, bevor es von einem Ausbleiben ohne genügende Entschuldigung ausgehen kann (OLG Schleswig, zfs 2006, 53; OLG Zweibrücken, zfs 2006, 233). Dieser Obliegenheit ist das AG nicht nachgekommen und hat damit die Bedeutung der genügenden Entschuldigung i.S.d. § 74 Abs. 2 OWiG verkannt und das Recht des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs in der Hauptverhandlung beschnitten.

IV. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das AG zurückzuverweisen.

Die Rechtsbeschwerde hat mit der in zulässiger Weise erhobenen und – wie bereits ausgeführt – in der Sache begründeten Verfahrensrüge der rechtsfehlerhaften Anwendung des § 74 Abs. 2 OWiG (vorläufigen) Erfolg. …“

Mitgeteilt von RA Martin Straube, Gotha

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