Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Entschuldigung wegen Ausbleibens in der Hauptverhandlung

 

Leitsatz (redaktionell)

Das Gericht hat ihm zur Kenntnis gelangte Entschuldigungsgründe für die Abwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung von Amts wegen nachzuprüfen. Dabei ist der Betroffene nicht verpflichtet, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid des Stadtamtes Bremen vom 09.11.1999 mit dem angefochtenen Prozessurteil vom 11.12.2000 verworfen, da der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung zur Hauptverhandlung nicht erschienen sei (§ 74 Abs. 2 OWiG). Der Betroffene war zu der zunächst auf den 04.12.2000 anberaumten Hauptverhandlung nicht erschienen, hatte jedoch durch seinen Verteidiger ein ärztliches Attest vom 03.12.2000 vorlegen lassen, wonach er "wegen einer akuten Erkrankung (nach Immunisierung) nicht in der Lage (sei), einen Termin am Amtsgericht wahrzunehmen". Das Gericht hat das Verfahren unterbrochen und Termin zur Fortsetzung auf den 11.12.2000 angesetzt, um von Amts wegen nachzuprüfen, ob ein krankheitsbedingter Entschuldigungsgrund zutreffe, und zu diesem Zweck den Betroffenen schriftlich aufgefordert, umgehend ärztlich detailliert mit Gründen zu belegen, warum er am 04.12.2000 aus gesundheitlichen Gründen am persönlichen Erscheinen verhindert gewesen sei. Mit Schriftsatz vom 11.12.2000, eingegangen per Fax am selben Tage um 14.27 Uhr, übersandte der Verteidiger daraufhin ein weiteres ärztliches Attest vom 08.12.2000, wonach der Betroffene "am 04.12.2000 nicht gerichtsladungsfähig aus gesundheitlichen Gründen" war. Dieser Schriftsatz wurde erst nach Beendigung des Fortsetzungstermins vorgelegt, der am 11.12.2000 von 14.30 Uhr bis 14.50 Uhr stattfand und mit dem o.a. Verwertungsurteil endete. Mit Schriftsatz vom 12.12.2000 übersandte der Verteidiger ein neues Attest für den Betroffenen vom 11.12.2000, wonach dieser "erkrankt und z.Z. nicht verhandlungsfähig" sei.

Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Hauptverhandlung hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 25.02.2001 als unbegründet verworfen, die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht - Kammer für Bußgeldsachen - mit Beschluss vom 06.03.2001 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Rechtsbeschwerde macht der Betroffene geltend, das Amtsgericht habe sein Fernbleiben in der Hauptverhandlung nicht als unentschuldigt ansehen dürfen.

II.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist statthaft gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG. Die Vorschrift findet auf Verwerfungsurteile nach § 74 Abs. 2 OWiG Anwendung (ständ. Rechtspr. des Senats, vgl. Beschluss vom 04.04.2000 Ss (B) 5/00-; Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 74 Rdn. 48). Die form- und fristgerecht erhobene Rechtsbeschwerde (§ 79 Abs. 3, 4 OWIG i.V.m. §§ 341, 344, 345 StPO) führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

1. Zur Überprüfung der Frage, ob das Amtsgericht den Einspruch rechtsfehlerfrei verworfen hat, bedarf es gemäß § 79 Abs. 3 OWiG einer - unter Beachtung der in § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO normierten Darlegungspflicht - näher ausgeführten Verfahrensrüge (vgl. Göhler, aaO., Rdn. 48 b). Das Vorbringen der Beschwerdebegründung, der Betroffene sei nicht ohne Entschuldigung der mündlichen Verhandlung ferngeblieben, stellt eine Verfahrensrüge dar, die ordnungsgemäß erhoben und begründet ist. Bei dieser Rüge hängt der Umfang der Darlegungspflicht davon ab, ob der Verfahrensfehler sich aus dem Inhalt des angefochtenen Urteils ergibt. Wenn aus dem Verwerfungsurteil ersichtlich ist, dass der Betroffene Entschuldigungsgründe vorgebracht hat, reicht die Begründung, das Gericht habe das Ausbleiben des Betroffenen nicht als unentschuldigt ansehen dürfen, zur Erhebung einer ordnungsgemäßen Verfahrensrüge aus (ständ. Rechtspr. des Senats, vgl. Beschluss vom 08.03.1991 - Ss (B) 15/91 - m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen entspricht die vom Betroffenen erhobene Rüge den Anforderungen des § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

2. Die Verfahrensrüge greift auch durch. Ausweislich der Urteilsgründe hat das Amtsgericht den Begriff der genügenden Entschuldigung verkannt. Für den Begriff der genügenden Entschuldigung i.S. des § 74 Abs. 2 Satz 1 OWiG kommt es nicht darauf an, ob der Betroffene sich genügend entschuldigt oder ob er vorgebrachte Entschuldigungsgründe glaubhaft gemacht hat; maßgeblich ist allein, ob er genügend entschuldigt ist (vgl. Senat, aaO., m.w.N.). Zur Glaubhaftmachung oder zum Nachweis der vorgebrachten Entschuldigungsgründe ist der Betroffene nicht verpflichtet, insoweit trifft ihn keine Mitwirkungspflicht (vgl. Senat, aaO., m.w.N., BayObLG, StV 2001, 338, 339 m.w.N.).

Das hat das Amtsgericht vorliegend verkannt und den Betroffenen zu Unrecht aufgefordert, die attestierte gesundheitsbedingte Verhinderung über das eingereichte ärztliche Attest hinaus weiter zu belegen. I...

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