Leitsatz (amtlich)

Nach § 74 Abs. 2 OWiG ist, wenn der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung und Belehrung über die Folgen seines Ausbleibens in der Hauptverhandlung ausbleibt, die Verwerfung seines Einspruchs nur zulässig, wenn das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt ist. Dabei ist nicht entscheidend, ob der Betroffene sich genügend entschuldigt hat, sondern ob er genügend entschuldigt ist. Das Amtsgericht muss, wenn ein konkreter Hinweis auf einen Entschuldigungsgrund vorliegt, dem im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht nachgehen.

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Lippstadt zurückverwiesen.

 

Gründe

Die Generalstaatsanwaltschaft hat zum Antrag des Betroffenen Folgendes ausgeführt:

"I.

Der Landrätin des Kreises Soest hat mit Bußgeldbescheid vom 31.10.2007 gegen den Betroffenen wegen Verstoßes gegen §§ 31 Abs. 2, 69 a StVZO, 24 StVG, 189.2.1 BKat eine Geldbuße von 150,00 EUR festgesetzt. In der daraufhin vom Amtsgericht Lippstadt anberaumten Hauptverhandlungstermin am 10.04.2008 ist der Betroffene nicht erschienen. Der Verteidiger legte ein ärztliches Attest des Dr. med. O. vor, nach dem der Betroffene aufgrund einer akuten Erkrankung nicht in der Lage sei, eine längere Autofahrt zu auf sich zu nehmen. Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht Lippstadt den Einspruch des Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG mit der Begründung verworfen, der Betroffene sei im Termin zur Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben. Im Einzelnen ist ausgeführt:

"Die für den Betroffenen vorgetragenen Gründe sind keine genügende Entschuldigung, weil er lediglich ein ärztliches Schreiben vorgelegt hat, wonach er "am 10.04.2008 akut erkrankt ist und somit nicht in der Lage ist, eine längere Autofahrt auf sich zu nehmen". Dabei mangelt es den Angaben jedoch an dem erforderlichen Tatsachenvortrag ... Der Betroffene muss dem Gericht vielmehr auch die Tatsachen, also die ärztliche Diagnose vortragen, die dem Gericht die Überprüfung der Verhandlungsunfähigkeit oder der Reiseunfähigkeit des Betroffenen ermöglichen. ..."

Den Wiedereinsetzungsantrag des Betroffenen vom 05.05.2008 hat das Amtsgericht Lippstadt mit Beschluss vom 07.05.2008 als unbegründet zurückgewiesen, die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist durch Beschluss des Landgerichts Paderborn vom 10.06.2008 verworfen worden.

Mit Schriftsatz seiner Verteidiger vom 05.05.2008 hat der Betroffene Rechtsbeschwerde gegen das Urteil eingelegt und diese damit begründet, das Urteil gehe zu Unrecht davon aus, dass er nicht genügend entschuldigt gewesen sei.

II.

Das als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde auszulegende Rechtsmittel des Betroffenen ist rechtzeitig gestellt, form- und fristgerecht begründet worden und hat auch in der Sache Erfolg.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde richten sich vorliegend nach § 80 Abs. 1 OWiG. Danach ist die Rechtsbeschwerde nur zuzulassen zur Fortbildung des Rechts, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) oder, wenn das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben ist (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Verfahrensweise des Amtsgerichts verletzt den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), so dass die Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zuzulassen ist.

Die Verfahrensrüge des Betroffenen, mit der er die Verletzung rechtlichen Gehörs rügt, genügt den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Danach muss bei einer Verfahrensrüge der Tatsachenvortrag so vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein auf Grund der Rechtsbeschwerdebegründung prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das Vorbringen des Betroffenen zutrifft (Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 79 Rn. 27 d). Wird die Versagung rechtlichen Gehörs gerügt, muss in der Begründungsschrift durch entsprechenden Tatsachenvortrag schlüssig dargelegt werden, dass ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 des GG vorliegt. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gibt einen Anspruch darauf, sich zu allen entscheidungserheblichen und dem Betroffenen benachteiligenden Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern (OLG Köln NZV 1999, 264 m.w.N.). Bleibt der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung der Hauptverhandlung fern und wird daraufhin der Einspruch des Betroffenen durch Urteil gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, so kann die Einspruchsverwerfung sein Recht auf rechtliches Gehör insbesondere dann verletzen, wenn rechtzeitig vorgebrachte und hinreichende Entschuldigungsgründe von dem erkennenden Gericht nicht berücksichtigt worden sind (Göhler, OWiG, 14. Auflage, § 80 Rdnr. 16 b).

Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ist mit dem Vortrag, das Amtsgericht habe das Ausbleiben des Betroffenen im Termin nicht als unentschuldigt ansehen dürfen, ...

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