Ein Fahrverbot kann sich aufgrund der fehlenden Möglichkeit der Entfaltung seiner Denkzettelfunktion erübrigen, wenn die Tat lange Zeit vor der Aburteilung liegt und der Täter seitdem im Straßenverkehr nicht mehr aufgefallen ist.[28] Hier hat sich bei den m.E. gleich zu behandelnden Bußgeldfahrverboten eine 2-Jahres-Linie in der Rechtsprechung herauskristallisiert.[29] Also: Ein Verstreichen von 1 ½ Jahren zwischen Tat und Entscheidung reicht grundsätzlich noch nicht aus, um von der Verhängung eines ansonsten gebotenen Fahrverbots abzusehen.[30] Der BGH hatte aber im Falle einer Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei und Hehlerei ein Fahrverbot, das 1 ¾ Jahre nach der Tat neben einer siebenmonatigen Gesamtfreiheitsstrafe angeordnet worden war, als zur Zweckerfüllung nicht mehr geeignet erachtet.[31] Auch das OLG Hamm hat die oben dargestellte 2-Jahres-Linie unter Bezugnahme auf die neue BGH-Rechtsprechung unterschritten und bei 22 Monaten zwischen Tat und Urteil eine "fahrverbotsfeindliche" Verfahrensdauer angenommen.[32] Eine Verfahrensdauer von nur einem Jahr dagegen reicht noch nicht aus, um allein aus dem Gesichtspunkt der Verfahrensdauer von einer Anordnung eines eigentlich erforderlichen Fahrverbots abzusehen.[33] Auch ein Jahr und vier Monate reichen nicht.[34]

Immer wieder tauchen Entscheidungen auf, in denen davon die Rede ist, die 2-Jahres-Linie nicht in den Fällen gelten zu lassen, in denen der Täter den Abschluss des Verfahrens herausgezögert hat – durch geschicktes Prozessieren solle kein Vorteil erlangt werden![35] M.E. ist diese Sicht falsch, da die Frage prozessualen Verhaltens nichts mit dem Erziehungsgedanken des Fahrverbots zu tun hat.[36]

Nur in gut begründeten Ausnahmefällen (Beispiel: Täter, der während des Verfahrens mehrere bedeutende verkehrsordnungswidrigkeitenrechtliche Verstöße begangen hat oder mehrfach verkehrsrechtlich vorbestrafter Täter, der bisher immer an einem Fahrverbot "vorbeigeschrammt" ist) wird daher auch nach dem Verstreichen eines solchen Zeitraumes die Anordnung eines Fahrverbots möglich sein, wobei – insoweit ist eine unterschiedliche Behandlung zu § 25 StGB geboten – auch generalpräventive Gründe aufgrund des Nebenstrafencharakters des § 44 StGB ausnahmsweise bei einiger Erheblichkeit dazu führen können, noch zu späteren Zeiten ein strafrechtliches Fahrverbot auszusprechen.

[27] Hierzu ausführlich: Krumm, NJW 2004, 1627.
[28] Stree/Kinzig in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 44 Rn 15.
[29] I.E. ebenso König in: Hentschel/König/Dauer, StVR, 43. Aufl. 2015, § 44 StGB Rn 9. m.w.N.
[30] LG Koblenz, Urt. v. 27.11.1995 – 2103 Js 23415/94 – 8 Ns = NStZ-RR 1996, 117 = VRS 91, 22 (Körperverletzung nach Beinaheunfall); OLG Koblenz, Urt. v. 21.4.1988 – 1 Ss 85/88 = NZV 1988, 73, 74 = VRS 75, 34 (Trunkenheitsfahrt).
[31] BGH zfs 2004, 133 (zust. Bode); ähnlich OLG Hamm, Beschl. v. 3.6.2004 – 2 Ss 112/04 = DAR 2004, 535 (22 Monate nach Verurteilung gem. § 315c Abs. 1 Nr. 2a StGB).
[32] OLG Hamm, Urt. v. 4.1.1968 – 1 Ss 460/67 = DAR 2004, 535; ob die von Schulz, zfs 1998, 363 geforderte Frist von einem Jahr ein realistischer Verteidigungsansatz sein kann, mag aber (noch) bezweifelt werden.
[33] AG Lüdinghausen, Urt. v. 10.2.2005 – 16 CS 82 JS 441/04 = NZV 2005, 213; Burmann in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, StVR, 24. Aufl. 2016, § 44 StGB Rn 7; Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 44 StGB Rn 2.
[34] KG, Beschl. v. 4.3.2014 – (3) 121 Ss 27/14 (21/14) = zfs 2014, 529 = NStZ-RR 2014, 321 = DAR 2014, 395.
[35] So zuletzt (für das Fahrverbot nach § 25 StVG): OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.6.2007 – 1 Ss 44/07 = NJW 2007, 2936 = DAR 2007, 528 = NZV 2007, 592 = SVR 2008, 269 = VRS 113, 123; OLG Hamm, Beschl. v. 14.10.2003 – 2 Ss OWi 219/03 = NZV 2004, 600 = DAR 2004, 106 = VRS 106, 57.
[36] Ausführlich hierzu: Krumm, NJW 2004, 1627, 1629, ebenso: Burmann in: Burmann/Heß/ Hühnermann/Jahnke/Janker, StVR, 24. Aufl. 2016, § 44 StGB, Rn 7.

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