Die Entscheidung des OLG Nürnberg ist – so leid es mir für den Kläger tut – richtig. Die Voraussetzungen für eine Nichterhebung der Gerichtskosten in der Form des Honorars für den gerichtliche bestellten Sachverständigen waren hier nicht gegeben.

Voraussetzungen für die Nichterhebung von Gerichtskosten

Nicht jede unrichtige Sachbehandlung seitens des Gerichts führt zur Nichterhebung der hierdurch veranlassten Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen). Selbst wenn das Gericht (verfahrens-)fehlerhaft gehandelt haben sollte, führt dies also nicht automatisch zur Nichterhebung der Gerichtskosten. Es muss sich vielmehr – worauf das OLG Nürnberg unter Hinweis auf ältere Rechtsprechung zutreffend hingewiesen hat – um einen offensichtlichen und eindeutig gegen gesetzliche Vorschriften verstoßenden Fehler des Gerichts gehandelt haben (BFH BFH/NV 1997, 521; BFH BFH/NV 1996, 191; BFH RVGreport 2015, 396 [Hansens]; BGH NJW-RR 1997, 831; BGH RVGreport 2019, 474 [ders.]; OLG München RVGreport 2017, 34 [ders.]; OLG Köln RVGreport 2013, 401 [ders.] = AGS 2013, 464).

Keine unrichtige Sachbehandlung des LG Amberg

In Anwendung dieser Grundsätze hat das LG Amberg hier keine zur Nichterhebung der Sachverständigenvergütung führende unrichtige Sachbehandlung i.S.v. § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG begangen. Die Einzelrichterin des LG Amberg war aufgrund ihrer vorläufigen Rechtsansicht davon ausgegangen, dass dem Kläger aufgrund der Versicherungsbedingungen ein Entschädigungsanspruch zusteht. Da die Parteien über die konkrete Höhe dieses Anspruchs gestritten haben, hat das LG auch zutreffend einen Beweisbeschluss erlassen und ein Sachverständigengutachten hierzu eingeholt. Da zu dem Zeitpunkt der Einholung dieses Gutachtens und auch zum Zeitpunkt der Erstattung des Gutachtens durch den Sachverständigen Rechtsprechung höherer Gerichte zu der verfahrensgegenständlichen Frage nicht existiert hatte, hatte die Einzelrichterin auch keinen Anlass, den Auftrag an den gerichtlich bestellten Sachverständigen wieder "zurückzunehmen". Es kommt somit nicht auf die – hier vom OLG Nürnberg zutreffend nicht erörterte – Frage an, ob bei einer frühzeitigen Rücknahme des Gutachtenauftrags gar keine oder jedenfalls geringere Honoraransprüche angefallen wären. Bis zum Bekanntwerden des Urteils des OLG Nürnberg vom 15.11.2021 hatte die Einzelrichterin des LG Amberg keinen Anlass, von ihrer auf ihrer vorläufigen Rechtsauffassung begründeten Verfahrensweise (Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten) Abstand zu nehmen. Dies erfolgte erst in einem Hinweis der Einzelrichterin vom 2.12.2021, in dem sie auf das Urteil des OLG Nürnberg vom 15.11.2021 hingewiesen hat. Bei Anwendung dieses Urteils des OLG Nürnberg auf den der Einzelrichterin vorliegenden Fall erwies sich die Beweiserhebung über die Höhe des klägerischen Anspruchs als überflüssig.

Allgemeines Prozesskostenrisiko

Der Kläger hatte hier für das Vorliegen eines Anspruchs gegen die beklagte Versicherung die Beweislast für Grund und Höhe des geltend Zahlungsanspruchs. Deshalb war er insoweit Beweispflichtiger und haftete gem. § 17 Abs. 1 GKG gegenüber der Staatskasse für das gesamte Honorar des gerichtlich bestellten Sachverständigen. Im Verhältnis zur Beklagten hat der Kläger aufgrund der Vergleichsregelung 6/7 der Kosten und damit auch des Honorars des Sachverständigen zu tragen. Dass es dann gar nicht mehr auf die Höhe des vom Kläger geltend gemachten Schadens ankam, weil die Einzelrichterin des LG Amberg der nunmehrigen Rechtsprechung des Übergeordneten OLG Nürnberg gefolgt war, wonach der Schaden von der Betriebsschließungsversicherung nicht gedeckt ist, ist der jede Partei treffenden Unsicherheit in den Fällen geschuldet, in denen es zur entscheidungserheblichen Problematik (noch) keine Rechtsprechung übergeordneter Gerichte gibt. Damit hat sich für den Kläger hier das allgemeine Prozesskostenrisiko verwirklicht.

Dem Kläger wäre sicher auch nicht geholfen gewesen, wenn die Einzelrichterin des LG Amberg ihre Auffassung beibehalten und die Beklagte nach dem Vorliegen des Sachverständigengutachtens jedenfalls teilweise zur Zahlung verurteilt hätte. Das OLG Nürnberg hätte dann auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage auf Kosten des Klägers abgewiesen. Dann hätte der Kläger nämlich die gesamten Kosten beider Instanzen einschließlich des Honorars des gerichtlich bestellten Sachverständigen zu tragen und hätte von der Beklagten auch keine Zahlung i.H.v. 7.500 EUR erhalten. Von dieser Warte ausgesehen ist der Kläger noch glimpflich davongekommen.

Jedenfalls kann es der Einzelrichterin des LG Amberg nicht als unrichtige Sachbehandlung vorgehalten werden, dass sie zu der bisher nicht entschiedenen Frage eine eigene – den Parteien auch mitgeteilte – Auffassung vertreten hat und dabei nicht vorhergesehen hat, wie später das OLG Nürnberg entscheiden wird.

Mit einer vergleichbaren Argumentation könnte man auch dem Prozessbevollmächtigten des Klägers als Anwaltsfehler vorhalten, dass ...

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