" … 2. Beim zugrunde zulegenden Sachverhalt (auf der Straße liegender Stein wurde durch den Bekl.-Lkw aufgewirbelt und auf das nachfolgende Klägerfahrzeug geschleudert) ist eine Haftung der Bekl. aus § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 7 Abs. 1 StVG grds. zunächst ohne Weiteres zu bejahen, da der Schaden am Klägerfahrzeug “beim Betrieb' des versicherten Bekl.-Lkw entstanden ist (z.B. BGH VersR 1974, 1030; LG Heidelberg NZV 2012, 299)."

3. Das AG hat im Weiteren lediglich die Frage eines Haftungsausschlusses der Bekl. aufgrund höherer Gewalt nach § 7 Abs. 2 StVG geprüft – und zutreffend verneint. Hierunter fällt nur ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch die äußerste nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit in Kauf zu nehmen ist (Laws/Lohmeyer/Vinke, in: Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR, 1. Aufl. 2016, § 7 StVG Rn 140 m.w.N.).

4. Nicht beantwortet hat das AG aber die Frage, ob die Haftung der Bekl. nach § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen ist, weil der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde. Das ist hier der Fall.

a) Als unabwendbar gilt ein Ereignis dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Ein unabwendbares Ereignis i.S.v. § 17 Abs. 3 S. 1, 2 StVG liegt nicht nur bei absoluter Unvermeidbarkeit des Unfalls vor, sondern auch dann, wenn dieser bei Anwendung der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt i.S.v. § 276 BGB hinaus, so dass der Fahrer, der mit Erfolg die Unabwendbarkeit des Unfalls geltend machen will, sich wie ein “Idealfahrer' verhalten haben muss (BGH NJW 1998, 2222). Damit verlangt § 17 Abs. 3 S. 1, 2 StVG, dass der “Idealfahrer' in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind, Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden (BGH r+s 2006, 169). Für die Unabwendbarkeit im Rahmen des § 17 Abs. 3 StVG ist derjenige beweisbelastet, der sich auf sie beruft (OLG München, Urt. v. 12.8.2011 – 10 U 3150/10, BeckRS 2011, 22231 m.w.N.), hier also die Bekl.

Ein solch unabwendbares Ereignis kann vorliegen, wenn ein auf der Straße liegender Stein von den Rädern eines Lkw aufgewirbelt und auf ein nachfolgendes Fahrzeug geschleudert wird (z.B. LG Heidelberg NZV 2012, 299; AG Buchen r+s 2016, 362 m.w.N.; vgl. auch BGH VersR 1974, 1030). Bei der dahingehenden Würdigung des maßgeblichen Schadensablaufs ist aber auch zu berücksichtigen, dass in einem Baustellenbereich, in dem mit dem Vorhandensein lose he rumliegender Steine zu rechnen ist, ein Kraftfahrer einer durch seine Fahrweise bedingten möglichen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch wesentliche Herabsetzung der Geschwindigkeit Rechnung tragen muss. Anders hingegen mag es sich verhalten, wenn eine Gefährdung Dritter durch einen hochgeschleuderten Stein nicht voraussehbar war. Das könnte dann zu bejahen sein, wenn ein Kraftfahrer auf einer gut ausgebauten, mit Asphalt versehenen Straße fährt, zumal wenn diese als Fernverkehrsstraße dient, auf der hohe Geschwindigkeiten eingehalten zu werden pflegen und eingehalten werden dürfen, und wenn kein Anhaltspunkt für das Herumliegen loser Steine besteht (BGH VersR 1974, 1030).

b) Für den Streitfall ist zunächst davon auszugehen, dass sich nach den Feststellungen des AG (Gründe unter I.2.) der Unfall in einem Baustellenbereich ereignete. Bei diesen Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts handelt es sich ungeachtet dessen, dass sie sich in den Entscheidungsgründen befinden, um Tatbestandsangaben, deren Unrichtigkeit grds. nur im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO geltend gemacht werden kann, das im Streitfall jedoch nicht durchgeführt worden ist (vgl. BGH NJW 2001, 448). Daran ändert auch nichts, dass schriftsätzlich durch keine der beiden Parteien vorgetragen worden war, dass sich der Unfall in einem Baustellenbereich ereignet habe. Nach alledem geht das diesbezügliche Bestreiten der Bekl. im Schriftsatz v. 4.1.2017 ins Leere.

Da die Darlegungs- und Beweislast für die Unabwendbarkeit des Schadenseintritts bei den Bekl. liegt, wären diese im Weiteren gehalten gewesen vorzutragen, dass gleichwohl keine Anhaltspunkte für das Herumliegen loser Steine bestanden (vgl. BGH VersR 1974, 1030). Indes haben die Bekl. in erster Instanz tatsächlich vorgetragen, dass “der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs nicht erkennen konnte, dass ein Stein auf der Fahrbahn lag' (Klageerwiderung S. 2 u.). Dem ist die Kl. im Weiteren nicht entgegengetreten, so dass diese Tatsache als unstreitig zu würdigen ist (§ 138 Abs. 3 ZPO).

Dies bedeutet...

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