Leitsatz (amtlich)

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Gefährdungshaftung nach § 7 Absatz 1 StVG sind erfüllt, wenn ein Stein nachweislich infolge der Fahrt des vorausfahrenden Kraftfahrzeugs in Bewegung gesetzt wurde und dieser sodann beim Auftreffen die Frontscheibe des nachfolgenden Fahrzeugs beschädigt hat. In diesem Fall obliegt dem durch den Steinschlag Geschädigten nicht zusätzlich die Darlegung und der Beweis der "genauen Art und Weise der Schadensverursachung". Die Frage, ob der Stein von den Rädern des vorausfahrenden Fahrzeugs aufgewirbelt wurde oder von seiner unzureichend gesicherten Ladefläche herabgefallen ist, ist vielmehr nur für die Frage eines Haftungsausschlusses nach § 17 Absatz 2, 3 StVG (unabwendbares Ereignis) relevant. Die Darlegungs- und Beweislast trägt insoweit der Halter des vorausfahrenden Fahrzeugs.

 

Verfahrensgang

AG Heidelberg (Entscheidung vom 15.03.2011; Aktenzeichen 30 C 304/10)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 15.3.2011, Az. 30 C 304/10, abgeändert:

    • a)

      Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 774,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.6.2010 zu zahlen.

    • b)

      Die Beklagten werden weiter verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 115,63 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.6.2010 zu zahlen.

    • c)

      Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

  • 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

  • 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I.

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche wegen eines Steinschlagschadens vom 31.3.2010 in der Frontscheibe ihres PKW geltend. Sie behauptet, die Scheibe sei von einem Stein beschädigt worden, der sich von der Ladung des LKW der Beklagten Ziff. 1 gelöst habe. Die Beklagte Ziff. 1 ist Halterin dieses LKW, er ist haftpflichtversichert bei der Beklagten Ziff. 2. Der LKW hatte Sandkies oder Bauschutt, jedenfalls Steine, geladen. Die Klägerin fuhr mit ihrem PKW auf der B 3 zwischen Leimen und Nußloch hinter diesem LKW. Beifahrerin war ihre Tochter, die Zeugin K.

Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 15.3.2011 nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten zum unstreitigen und streitigen Sachvortrag der Parteien in erster Instanz sowie zu Inhalt und Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung einschließlich der dort getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird auf Entscheidungsformel, Tatbestand und Entscheidungsgründe dieses Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie macht geltend, es spreche ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Steinschlag von der Ladefläche des LKW der Beklagten Ziff. 1 herrühre. Jedenfalls sei seitens der Beklagten nicht dargetan und unter Beweis gestellt worden, dass eine irgendwie lautende andere Schadensursache hier in Betracht komme. Der unmittelbare Ursachenzusammenhang zwischen dem Betrieb des LKW und dem sich manifestierenden Schaden sei hergestellt und durch die Zeugin bewiesen. Es gebe keinerlei Anlass zu der Annahme, dass der Stein auf der Straße gelegen und durch die Fahrt hoch geschleudert worden sei.

Die Klägerin beantragt:

  • 1.

    Unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Heidelberg vom 15.3.2011 werden die Beklagten als Gesamtschuldner dazu verurteilt, an die Klägerin 799,00 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz des DÜG hieraus seit 11.6.2010 zu bezahlen.

  • 2.

    Die Beklagten werden als Gesamtschuldner dazu verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 115,63 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz des DÜG hieraus seit 11.6.2010 zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie machen geltend, die Zeugin K habe noch nicht einmal bestätigen können, dass zu dem Zeitpunkt, als das Beklagtenfahrzeug vor dem klägerischen Fahrzeug fuhr, der geltend gemachte Schaden entstanden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Das Gericht hat durch den vorbereitenden Einzelrichter gem. § 527 ZPO Beweis erhoben durch erneute Vernehmung der Zeugin K sowie Einholung eines mündlich erstatteten Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. R. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll vom 7.9.2011 (AS 95 ff.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist überwiegend begründet.

1)

Die Beklagten haften als Gesamtschuldner für den am 31.3.2010 auf der B 3 zwischen Leimen und Nussloch entstandenen Steinschlagschaden an der Frontscheibe des PKW der Klägerin. Der Anspruch beruht auf §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG.

a)

Es ist zur Überzeugung des Gerichts bewiesen, dass ein Steinschlagschaden an der Frontscheibe des PKW der Klägerin entstanden ist, als diese un...

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