Wenn der Versicherer von der Möglichkeit der Vertragsanpassung nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG keinen Gebrauch gemacht hat, kann er sich nicht auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung berufen. Eine geltungserhaltende Reduktion auf den zulässigen Inhalt ist unzulässig. Der Versicherer kann sich wohl auf grobe Fahrlässigkeit gem. § 81 Abs. 2 VVG oder Gefahrerhöhung (§§ 23 ff. VVG) berufen.[1] Diese – einseitige – Vertragsanpassung war nur im Kalenderjahr 2009 möglich, so dass eine spätere Änderung der AVB nur mit Zustimmung des Versicherungsnehmers möglich ist.

Demgegenüber ist eine Vertragsanpassung bei Versicherungsverträgen, die nach dem 31.12.2009 geschlossen worden sind, durchaus möglich. Wenn in einem solchen Vertrag ein vollständiger Leistungsausschluss auch bei grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung enthalten ist, ist diese Klausel gem. § 307 Abs. 1 BGB hinsichtlich der Rechtsfolgen unwirksam, da sie zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 28 Abs. 2 S. 2 VVG abweicht. Die hierdurch entstehende Vertragslücke kann dann gem. § 306 Abs. 2 BGB durch eine entsprechende Anwendung von § 28 Abs. 2 S. 2 VVG geschlossen werden.[2]

[1] BGH, IV ZR 199/10, VersR 2011, 1550 = r+s 2012, 9; BGH, IV ZR 124/13, r+s 2014, 282; BGH, IV ZR 156/13, zfs 2016, 38; OLG Dresden, 4 U 1292/14, r+s 2015, 233.
[2] OLG Naumburg, 10 U 5/13, VersR 2015, 102.

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