Leitsatz (amtlich)

Eine wegen Abweichung von § 28 VVG unwirksame vertragliche Regelung über die Verletzung von Obliegenheiten im Versicherungsvertrag wird nicht durch die gesetzliche Rechtsfolgenregelung des § 28 VVG ersetzt (Anschluss an BGH, Urt. v. 12.10.2011 - IV ZR 199/10, und BGH, Urt. v. 2.4.2014 - IV ZR 58/13.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Urteil vom 15.07.2014; Aktenzeichen 03 O 490/12)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des LG Leipzig vom 15.7.2014 - 3 O 490/12 - sowie das Versäumnisurteil des LG vom 10.9.2013 aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 144.099,13 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 25.2.2011 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin weitere 79.647 EUR zu zahlen, sofern die Klägerin innerhalb von 18 Monaten nach Rechtskraft des Urteils sichergestellt hat, dass sie die Entschädigung verwenden wird, um ein Gebäude gleicher Art und Zweckbestimmung wie das am 31.12.2010 zerstörte an bisheriger Stelle wiederherzustellen (Schadens-Nr. 50 F 11-650000/Vers.-Nr. IM 1037995).

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.368,92 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.5.2011 zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Klägerin 1/5 und die Beklagte 4/5 mit Ausnahme der Kosten der Säumnis. Die Säumniskosten trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. jeweils 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 223.746,13 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Klägerin ist Alleinerbin des am 20.1.2014 verstorbenen K. (im Folgenden: Versicherter), für dessen Grundstück xxx in xxx sein Sohn N. (im Folgenden: Versicherungsnehmer) bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung (Neuwert) beginnend zum 1.12.2002 abgeschlossen hat. Dem Versicherungsvertrag liegen die allgemeinen Bedingungen für Wohngebäudeversicherung (VGB) 2001 zugrunde (Anlage K 2). Diese haben u.a. folgenden Wortlaut:

"§ 26 Obliegenheiten des Versicherungsnehmers im Versicherungsfall

...

2. Wird eine der in Nr. 1 genannten Obliegenheiten verletzt, verliert der Versicherungsnehmer seinen Versicherungsschutz, es sei denn die Obliegenheit wurde weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt.

Bei grob fahrlässiger Verletzung behält der Versicherungsnehmer insoweit seinen Versicherungsschutz, als die Verletzung weder Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Bemessung der Leistung gehabt hat.

Hatte die vorsätzliche Verletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles Einfluss noch auf die Feststellung der Entschädigung bzw. deren Umfang, so bleibt der Versicherer zur Leistung verpflichtet, wenn die Verletzung nicht geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu beeinträchtigen oder wenn den Versicherungsnehmer kein erhebliches Verschulden trifft.

...

§ 31 Wegfall der Entschädigung aus besonderen Gründen

1. Versucht der Versicherungsnehmer, den Versicherer arglistig über Tatsachen zu täuschen, die für Grund oder für die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind, so ist der Versicherer von der Entschädigungspflicht frei ..."

Das auf dem Grundstück stehende Gebäude wurde von dem Versicherungsnehmer auf der Grundlage eines mit dem Versicherten am 25.11.2002 abgeschlossenen Mietvertrages von ihm und seiner Tochter bewohnt. In einer Ergänzung zum Mietvertrag erklärte der Versicherungsnehmer die Abtretung seiner Ansprüche gegen die Beklagte aus der Gebäudeversicherung an den Versicherten.

Mit Beschluss des AG Leipzig vom 13.8.2008 ist über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt W. zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

Am 31.12.2010 wurde das in Rede stehende Gebäude durch einen Brand stark beschädigt. Die Ursache konnte nicht ermittelt werden (lt. Schlussbericht der Polizeidirektion Leipzig entweder ein technischer Defekt an einem Subwoofer oder der Umgang mit einer offenen Flamme im Bereich des Sofas, Anlage K 4). Das Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wurde eingestellt.

Die Beklagte ermittelte einen Zeitwert des Wohnhauses i.H.v. 144.099,13 EUR netto und einen Bruttoneuwert i.H.v. 223.746,13 EUR.

Am 3.1.2011 erteilte der Versicherte dem Versicherungsnehmer eine Generalvollmacht zum Einfamilienhaus xxx in xxx (Anlage K 6).

Am 6.1.2011 kam es zu einer Besprechung, an der u.a. der Versicherungsnehmer und die Mitarbeiterin der Beklagten S. teilnahmen. Das Besprechungsprotokoll enthielt eine Belehrung nach § 28 Abs. 4 VVG n.F. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 7 Bezug genommen.

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