“ … II. … 1. Die Rechtsbeschwerde war nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zuzulassen, weil es geboten war, die Nachprüfung des Urt. zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. zu ermöglichen. Es galt, den im Folgenden dargestellten Rechtsfehlern entgegenzuwirken. § 80 Abs. 5 OWiG stand der Zulassung dabei nicht entgegen, da zum Einen die Zulassung der Rechtsbeschwerde auch wegen eines Rechtsfehlers außerhalb der Verfolgungsverjährung und es zum Anderen gerade wegen dieser Frage geboten war, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, um eine Klärung herbeizuführen. (vgl. Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 80 Rn 24).

2. Die sodann nach § 80a Abs. 3 S. 1 OWiG auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragene Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.

a. Das angefochtene Urt. konnte bereits deshalb keinen Bestand haben, weil das der Staatsanwaltschaft auf richterliche Verfügung am 17.6.2011 zugestellte, für die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht allein maßgebliche Urt. entgegen § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 StPO keine Gründe enthält. Damit war dem Senat eine Überprüfung auf etwaige Rechtsfehler von vornherein verwehrt. Die Ergänzung durch die am 5.7.2011 zu den Akten gelangten schriftlichen Urteilsgründe war unzulässig und konnten damit nicht zum Gegenstand der Prüfung werden.

aa. Mit der Verfügung vom 15.6.2011 hat das AG die Zustellung des Urt. an die Staatsanwaltschaft veranlasst. Zwar lag zu diesem Zeitpunkt noch nicht der mit Gründen versehene Urteilstext vor. Gleichwohl ist mit der Übersendung des Vorgangs “nach § 41 StPO’ bereits ein Urt. an die Staatsanwaltschaft zugestellt worden. Das am 9.6.2011 fertig gestellte Protokoll über die Hauptverhandlung beinhaltet nämlich alle für den Urteilskopf nach § 275 Abs. 3 StPO erforderlichen Angaben (vgl. auch Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 275 Rn 24), nämlich die Bezeichnung des Tages der Sitzung, den Namen des Richters und des Verteidigers, Namen und Vornamen der Betroffenen sowie den vollständigen Tenor und ist von dem erkennenden Richter unterzeichnet (vgl. Beschl. des hiesigen 2. Bußgeldsenats v. 22.8.2011 – 322 SsBs 184/11). Die Formulierung der Übersendung “nach § 41 StPO’ kann vor dem Hintergrund des objektiven Akteninhalts auch nicht als bloße Bitte um Voraberklärung der Staatsanwaltschaft über die beabsichtigte Einlegung eines Rechtsmittels verstanden werden. Vielmehr ist gerade durch den Hinweis auf § 41 StPO, der förmliche Zustellungen an die Staatsanwaltschaft regelt, von einem Zustellungswillen des AG auszugehen. Auch die Staatsanwaltschaft ist ersichtlich von der Zustellung des Urt. ausgegangen, da sie den Vorgang “nach Zustellung’ zurückgesandt hat.

bb. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise nachträgliche Ergänzung eines Urt. lagen nicht vor. Insb. die im Bußgeldverfahren vorgesehene Regelung des § 77b OWiG kam vorliegend nicht zum Tragen. Danach kann zwar von einer schriftlichen Begründung abgesehen und eine Fertigung der Urteilsgründe nachgeholt werden, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf die Einlegung der Rechtsbeschwerde verzichtet hätten oder innerhalb der Frist Rechtsbeschwerde nicht eingelegt worden wäre (§ 77b Abs. 1 S. 1 OWiG) oder wenn die Verzichtserklärung ausnahmsweise entbehrlich gewesen wäre (§ 77b Abs. 1 S. 2 und 3 OWiG). Zum Zeitpunkt der Zustellung des Urt. lag indessen bereits der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde vor.

cc. Dass der Betroffene keine Verfahrensrüge erhoben hat, steht der Beachtlichkeit des aufgezeigten Mangels im angefochtenen Urt. nicht entgegen. Das Rechtsbeschwerdegericht hat bereits auf die Sachrüge hin eigenständig zu prüfen, ob nach der Zustellung eines Urt. ohne Gründe an die Staatsanwaltschaft die nachträgliche Absetzung der Urteilsgründe zulässig war. Einer entsprechenden Verfahrensrüge bedurfte es nicht, weil von der Klärung dieser Frage abhängt, welcher Urteilstext Gegenstand der Sachprüfung auf materiell-rechtliche Fehler ist (vgl. OLG Gelle, 1. Senat, Beschl. v. 22.7.2010 – 311 SsBs 77/10; 2. Senat, Beschl. v. 22.8.2011 – 322 SsBs 184/11; OLG Celle, NdsRPfl 2000, 40; OLG Bamberg zfs 2009, 648; OLG Naumburg SVR 2008, 356; OLG Köln VRS 63, 460; BayObLG NStZ 1991, 342; OLG Düsseldorf MDR 1993, 894; OLG Brandenburg NStZ-RR 2004, 121; KG VRS 108, 278; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2007, 212).

b. Das angefochtene Urt. unterlag zudem der Aufhebung, weil sein Erlass auf einer weiteren Verletzung des Gesetzes beruht. Das Verfahren war nämlich wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen (§ 46 OWG i.V.m. § 260 Abs. 3 StPO), weil bereits vor Urteilsverkündung Verfolgungsverjährung (§ 31 Abs. 1 S. 1 OWiG) eingetreten war.

aa. Die Verjährungsfrist betrug für den verfahrensgegenständlichen Verstoß drei Monate (§ 26 Abs. 3 Hs. 1 StVG). Sie begann am 4.12.2010, dem Tattag (§ 31 Abs. 3 S. 1 OWiG), und wurde nur durch die am selben Tag erfolgte Anordnung der Anhörung des Betroffenen unterbrochen (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG). Daher ist Verjährung am 4.3.2011 eingetreten und konnte nicht mehr durch den Einga...

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