Der Anspruch auf Erstattung der Wertminderung ergibt sich aus den allgemeinen zum Schadensersatz verpflichtenden materiellen Anspruchsgrundlagen (z.B. §§ 823 BGB ff., 7, 18 StVG) und nicht unmittelbar aus den §§ 249 ff. BGB, die nur Art und Umfang der Entschädigung bestimmen. Nach dem Grundsatz der Naturalrestitution hat der gem. § 249 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz Verpflichtete, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatze verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Soweit die Herstellung "nicht möglich oder zur Entschädigung nicht genügend ist", ist nach § 251 Abs. 1 BGB "in Geld" zu entschädigen. Der Wertminderungsanspruch beruht insoweit auf der teilweisen Unmöglichkeit bzw. Ungenügendheit der Naturalrestitution. Der merkantile Minderwert ist nach der gesetzlichen Systematik von der eigentlichen Naturalrestitution zu unterscheiden, weil er über diese hinausgeht, und stellt keinen Gewinnersatz (§ 252 BGB) oder immaterielle Entschädigung (§ 253 Abs. 1 BGB) dar.

1. Römisches Recht, Europa und Amerika

Das dem Bürgerlichen Gesetzbuch zugrunde liegende System des Schadensersatzes in den §§ 249 ff. BGB geht auf römisches Recht zurück. Das klassische römische Recht unterschied zwischen dem damnum emergens (= positiver Schaden) und dem lucrum cessans (= entgangener Gewinn), wobei noch zwischen dem regelmäßig zu ersetzenden innerhalb und dem nicht zu ersetzenden Interesse außerhalb des Objekts (circa rem oder extra rem) unterschieden wurde. Bereits im römischen Recht war eine Erstattung des Minderwerts aus Verletzung einer Nebenpflicht bekannt. Der gekaufte Wein wird während des Transports so durchgeschüttelt, dass er Qualitätseinbußen erleidet. Der Käufer konnte den Verkäufer mit der actio empti auf Ersatz des Minderwerts des Weins verklagen. Der Minderwert einer Sache ist danach kein reiner positiver Schaden, aber auch kein außerhalb des Objekts liegender (entgangener) Gewinn. Im römischen Recht war aber anerkannt, dass auch ein zukünftiger innerhalb der Sache liegender Gewinn (lucrum cessans circa rem), ersetzt werden muss.[4] In den auf das römische Recht zurückgehenden Europäischen Rechtsordnungen ist der Anspruch auf Wertminderung mehrheitlich bekannt. Beim Blick über die Landesgrenzen hinaus[5] zeigt sich, dass der Ersatz des Minderwerts bei beschädigten Fahrzeugen – jeweils unter bestimmten Voraussetzungen und manchmal nur in Ausnahmefällen – etwa in Belgien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Jugoslawien, Kroatien, Luxemburg, Mazedonien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Slowakische Republik, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Türkei, Ungarn und Zypern anerkannt ist. Auch in den Vereinigten Staaten ist der Anspruch auf Erstattung des merkantilen Minderwerts bekannt, wobei dort der vor allem am Markt zu ermittelnde Verlust zu ersetzen ist.[6]

[4] v. Wening-Ingenheim, Die Lehre vom Schadensersatze nach römischem Rechte, 1841, 285 f.
[5] Vgl. die Länderberichte bei Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, 2. Aufl. (2002), 841 ff. u. Neidhart Unfall im Ausland, Bd. I (Osteuropa), 5. Aufl. (2006), 23 ff., Bd. II (West-Europa), 5. Aufl. (2007), 27 ff. sowie Splitter, DAR 2000, 49 (51 f.) u. Hofmann, Der merkantile Minderwert als Problem des Schadensersatzes unter Berücksichtigung der österreichischen, französischen und amerikanischen Rechtsordnung, 1970, 35 ff. (Österreich), 52 ff. (Frankreich).
[6] Hofmann (o. Fußn. 5), 72 f. u. 80 ff.

2. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

Der Ersatz des Minderwerts bei Gebäuden, Grundstücken oder anderen Objekten war schon in der Rechtsprechung des Reichsgerichts[7] nach § 251 Abs. 1 BGB anerkannt worden. In einer wenig beachteten und nur kurz mitgeteilten Entscheidung des RG vom 19.8.1937[8] wurde das Urteil der Vorinstanz aufgehoben, weil es eine Wertminderung bei Kraftfahrzeugen mit der Begründung ablehnte, die Reparatur habe die Betriebssicherheit wie vor dem Unfall hergestellt. Das RG führte zur Begründung aus, dass die Wiederherstellung einwandfreier Betriebssicherheit noch nichts darüber besagt, ob der Wert des Wagens vermindert worden ist oder nicht, insbesondere darüber, ob und inwieweit seine Lebensdauer und sein Verkaufswert beeinträchtigt worden sind. Der BGH bestätigte nach dem Krieg erstmals mit Urt. v. 29.4.1958[9] einen Anspruch auf merkantilen Minderwert bei Kraftfahrzeugen, wobei er die hierzu ergangene Entscheidung des RG in dieser Entscheidung und in der Folge nicht anführte. Der BGH unterscheidet seit Anbeginn seiner Rechtsprechung zwischen einem technischen und einem merkantilen Minderwert. Auf Grund des heutigen Standes der Reparaturtechnik soll eine Reparatur die das Fahrzeug technisch nicht mehr in den ursprünglichen Stand versetzt, zwar möglich, aber nur noch selten sein.[10] Im Gegensatz zum technischen Minderwert verbleibt der merkantile Minderwert auch bei technisch einwandfreier Reparatur. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH handelt es sich beim merkantilen Minderwert danach...

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