Das angefochtene Urteil erweist sich zwar nicht mit der gegebenen Begründung, aber im Ergebnis als richtig.

1. Anders als das LG angenommen hat, ist die Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. im Streitfall nicht anwendbar.

Wie der BGH mit Urt. v. 7.5.2014 (BGHZ 201, 101) entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist die Regelung richtlinienkonform teleologisch dergestalt zu reduzieren, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat. Entgegen der Ansicht des LG und der Bekl. ist von diesem Grundsatz keine Ausnahme zu machen, wenn der VN kein Verbraucher ist (a.A. OLG Stuttgart, VersR 2020, 1165).

Nach Maßgabe der für die nationalen Gerichte bindenden Vorabentscheidung des EuGH (NJW 2020, 1499) sind die Art. 35 und 36 der RiL 2002/83/EG … dahin auszulegen, dass sie auch für VN gelten, die keine Verbraucher sind (…). Nichts Anderes gilt für Art. 15 Abs. 1 der Zweiten RL 90/619/EWG … und Art. 31 der RL 92/96/EWG … (Dritte RL Lebensversicherung), auf deren Auslegung die richtlinienkonforme Reduktion des Anwendungsbereichs von § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. beruht (vgl. BGHZ 201, 101). Denn auch insoweit ergibt sich aus dem Zusammenhang der Richtlinien, dass sowohl natürliche als auch juristische Personen Versicherungsnehmer im Sinne der Bestimmungen sein können.

So definiert Art. 2 Buchst. e der Zweiten RL – wie Art. 1 Abs. 1 Buchst. e der RL 2002/83/EG – den Mitgliedstaat der Verpflichtung als den Mitgliedstaat, in dem der VN seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder, wenn der VN eine juristische Person ist, den Mitgliedstaat, in dem sich die Niederlassung dieser juristischen Person befindet, auf die sich der Vertrag bezieht (vgl. EuGH a.a.O.). Darüber hinaus sieht Art. 4 Abs. 2 der Zweiten RL Lebensversicherung – wie Art. 32 Abs. 2 der RL 2002/83/EG – vor, dass die Parteien nur dann das Recht des Mitgliedstaats wählen können, dessen Staatsangehöriger der VN ist, wenn es sich um eine natürliche Person handelt (vgl. EuGH). Weiter räumt Art. 30 Abs. 2 der Dritten RL Lebensversicherung – wie Art. 35 Abs. 2 der RL 2002/83/EG – den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, den besonderen Schutz u.a. dann auszuschließen, wenn der Versicherungsnehmer dessen aufgrund seines Status oder wegen der Umstände, unter denen der Vertrag geschlossen wird, nicht bedarf (vgl. EuGH a.a.O.). Überdies unterscheiden die Richtlinien in ihren Zielsetzungen nicht danach, ob der VN Verbraucher ist oder nicht (vgl. EuGH a.a.O. unter Bezugnahme auf die Erwägungsgründe 2 und 5 der RL 2002/83/EG, die insoweit Erwägungsgrund 3 der Dritten RL Lebensversicherung entsprechen). All dies zeigt, dass alle genannten Richtlinien keine Verbrauchereigenschaft des Versicherungsnehmers voraussetzen.

Diese Auslegung der Zweiten und Dritten RL Lebensversicherung wird nicht durch den 23. Erwägungsgrund der Dritten RL Lebensversicherung in Frage gestellt. Denn dieser lässt – ebenso wie der entsprechende 52. Erwägungsgrund der RL 2002/83/EG – nicht den Schluss zu, dass das Erfordernis, Information über das Rücktrittsrecht zu erteilen, ausschließlich für Versicherungsnehmer gilt, die Verbraucher sind (EuGH a.a.O.). Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht aufgrund der Vorabentscheidung des EuGH vom 19.12.2013 (C-209/12, VersR 2014, 225 – Endress) veranlasst, die sich u.a. auf den 23. Erwägungsgrund der Dritten RL Lebensversicherung und verbraucherschützende Erwägungen im Urteil des EuGH vom 13.12.2001 (C-481/99, NJW 2002, 281 – Heininger) stützt (…). Denn aus der Endress-Entscheidung geht hervor, dass der insoweit vom GEuGH angestellte Vergleich zwischen VN und Verbrauchern nur auf dem Vorliegen von Gemeinsamkeiten in ihrer vertraglichen Situation beruht. Dies bedeutet nicht, dass die dortigen Erwägungen auf VN begrenzt werden sollten, die zugleich Verbraucher sind (vgl. EuGH NJW 2020, 1499 Rn 39 – kunsthaus muerz).

2. Die Klageabweisung stellt sich gleichwohl als richtig dar, weil der Widerspruch der Kl. wegen vorherigen Ablaufs der Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. unwirksam war. Diese lief nach Maßgabe von § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. bereits an, als die Kl. mit Schreiben der Bekl. vom 15.7.2004 den als Anlage K1 vorgelegten Versicherungsschein erhielt, dem unstreitig die … vorgelegten Versicherungsbedingungen sowie die … Verbraucherinformation beigefügt waren. Der im Jahr 2016 erfolgte Widerspruch war damit verspätet.

a) Anders als die Kl. meint, steht dem Fristbeginn nicht entgegen, dass sie über das ihr nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. zustehende Widerspruchsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt worden wäre.

aa) Die im Versicherungsschein enthaltene Belehrung weist...

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