FeV § 11 § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. a bis d § 20 Abs. 1 S. 1; Anlage 4 zur FeV Nr. 8.1 8.2; StVG § 2 § 3 Abs. 3 und 4; StGB § 69 f. § 316

Leitsatz

Ist nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von weniger als 1,6 ‰ die Fahrerlaubnis durch das Strafgericht entzogen worden, darf die Fahrerlaubnisbehörde die Neuerteilung nicht allein wegen dieser Fahrerlaubnisentziehung von der Beibringung eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens abhängig machen. Anders liegt es, wenn zusätzliche Tatsachen die Annahme künftigen Alkoholmissbrauchs begründen.

BVerwG, Urt. v. 6.4.2017 – 3 C 24.15

Sachverhalt

Die Kl. begehrt nach strafgerichtlicher Entziehung ihrer Fahrerlaubnis deren Neuerteilung, ohne hierfür ein positives medizinisch-psychologisches Gutachten beibringen zu müssen. Im Verfahren hatte das Strafgericht die Kl. wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (BAK 1,28 ‰) nach § 316 StGB verurteilt und ihr nach § 69 StGB die Fahrerlaubnis entzogen, da sich aus der Tat ergebe, dass sie zum Führen von Kfz ungeeignet sei. Als sie die Neuerteilung beantragte, erhielt sie von der Fahrerlaubnisbehörde gestützt auf § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. d i.V.m. Buchst. a FeV die Aufforderung, ein medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten vorzulegen. Das BVerwG hat die vorinstanzlichen Urteile (VG Regensburg, Urt. v. 4.11.2014 – VG RO 8 K 14.1468 und BayVGH, Urt. v. 17.11.2015 – 11 BV 14.2738, zfs 2016, 52) geändert und die Bekl. verpflichtet, der Kl. die beantragte Fahrerlaubnis auch ohne die Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Frage von Alkoholmissbrauch neu zu erteilen.

2 Aus den Gründen:

[11] "… II. … Die Revision der Kl. ist begründet. Das angefochtene Urt. beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die vorinstanzlichen Urteile sind deshalb zu ändern; die Bekl. ist zu verpflichten, die begehrte Fahrerlaubnis ohne vorherige Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu erteilen."

[12] 1. Für die Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens der Kl. ist auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen; Anwendung finden die rechtlichen Regelungen, die auch das BG zugrunde zu legen hätte, wenn es zum Zeitpunkt des revisionsgerichtlichen Urteils entschiede (st. Rspr., vgl. u.a. BVerwG, Urt. v. 13.2.2014 – 3 C 1.13, BVerwGE 149, 74 Rn 13 m.w.N.). Anzuwenden sind danach das StVG i.d.F. der Bekanntmachung v. 5.3.2003 (BGBI. I S. 310), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 28.11.2016 (BGBI. I S. 2722), sowie die FeV v. 13.12.2010 (BGBI. I S. 1980), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung v. 21.12.2016 (BGBI. I S. 3083).

[13] Nach § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG müssen Fahrerlaubnisbewerber zum Führen von Kfz geeignet sein. Die Eignung besitzt nach § 2 Abs. 4 S. 1 StVG sowie § 11 Abs. 1 S. 1 und 3 FeV, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat. Die Anforderungen sind insb. dann nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur FeV vorliegt, wodurch die Eignung zum Führen von Kfz ausgeschlossen wird (§ 11 Abs. 1 S. 2 FeV). § 13 FeV konkretisiert die Fälle, in denen die Fahrerlaubnisbehörde im Zusammenhang mit einer Alkoholproblematik die Fahreignung durch ein ärztliches oder medizinisch-psychologisches Gutachten zu klären hat. Nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV ist die Eignung bei Alkoholmissbrauch ausgeschlossen; er liegt vor, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann. Gem. Nr. 8.2 dieser Anlage kann von einer Eignung erst dann wieder ausgegangen werden, wenn der Missbrauch beendet und die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist. Für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung gelten die Vorschriften für die Ersterteilung (§ 20 Abs. 1 S. 1 FeV).

[14] 2. Das BG ist der Auffassung, nach einer strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB), die auf einer Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss beruht, sei im Wiedererteilungsverfahren unabhängig von der BAK die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen (im Anschluss an die Rspr. des VGH Mannheim, Urt. v. 18.6.2012 – 10 S 452/10, VBIBW 2013, 19 und v. 7.7.2015 – 10 S 116/15, zfs 2015, 539 sowie Beschl. v. 15.1.2014 – 10 S 1748/13, [zfs 2014, 235 und 479 =] VBIBW 2014, 348; diesem folgend auch OVG Greifswald, Beschl. v. 22.5.2013 – 1 M 123/12, [zfs 2013, 595 =] VRS 127, 269 = juris Rn 14 ff.; zustimmend Rebler, in: Müller/Rebler, Die Klärung von Eignungszweifeln im Fahrerlaubnisrecht, 2. Aufl. 2017, S. 159; offen lassend OVG Münster, Beschl. v. 21.1.2015 – 16 B 1374/14, DAR 2015, 606 = juris Rn 10 sowie OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.7.2015 – OVG 1 S 123.14, VerkMitt 2015 Nr. 55 = ...

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