BGB § 249 Abs. 2 S. 1 § 254 Abs. 2

a) Der Geschädigte leistet dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zu Grunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.

b) Der Schädiger kann den Geschädigten aber unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen "freien Fachwerkstatt" verweisen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden.

c) Unzumutbar ist eine Reparatur in einer "freien Fachwerkstatt" für den Geschädigten insbesondere dann, wenn sie nur deshalb kostengünstiger ist, weil ihr nicht die marktüblichen Preise dieser Werkstatt, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers beruhende Sonderkonditionen zu Grunde liegen.

BGH, Urt. v. 22.6.2010 – VI ZR 337/09

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Ersatz restlichen Sachschadens aus einem Verkehrsunfall vom 28.1.2008 in Anspruch, bei dem sein Fahrzeug, ein zum Unfallzeitpunkt mehr als sieben Jahre alter Mercedes-Benz mit einer Laufleistung von über 114.451 km, beschädigt wurde. Die Haftung des Beklagten zu 1) als Fahrer des anderen unfallbeteiligten Fahrzeugs und der Beklagten zu 2) als Haftpflichtversicherer steht dem Grunde nach außer Streit. Die Parteien streiten nur noch um die Frage, ob sich der Kläger im Rahmen der fiktiven Abrechnung seines Fahrzeugschadens auf niedrigere Stundenverrechnungssätze einer von der Beklagten zu 2) benannten, nicht markengebundenen Reparaturwerkstatt verweisen lassen muss oder ob er auf der Grundlage des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Vertragswerkstatt erstattet verlangen kann.

Die Beklagte zu 2) legte ihrer Schadensberechnung die günstigeren Stundenverrechnungssätze der von ihr benannten Reparaturwerkstatt zu Grunde und kürzte deshalb die im Sachverständigengutachten ausgewiesenen Reparaturkosten um insgesamt 883,24 EUR. Dieser Differenzbetrag nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Anwaltskosten sind Gegenstand der vorliegenden Klage.

Das AG hat die Klage bis auf einen Betrag in Höhe von 12,75 EUR abgewiesen. Das LG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom LG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Aus den Gründen:

[4] I. “Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass der Kläger seiner fiktiven Schadensabrechnung nicht die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zu Grunde legen dürfe. Vielmehr müsse er sich auf die günstigeren Stundenverrechnungssätze der von der Beklagten zu 2) benannten, nicht markengebundenen Reparaturwerkstatt E verweisen lassen. Auf Grund des gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens sei bewiesen, dass eine bei der Firma E durchgeführte Reparatur einer durch eine markengebundene Fachwerkstatt durchgeführten Reparatur technisch gleichgestanden hätte. Dass eine Gleichwertigkeit deshalb nicht gegeben sei, weil die Reparatur durch eine Markenwerkstatt auf Grund eines höheren Vertrauens in die Kompetenz einen besonderen Wertfaktor beinhalte, könne bei der Art der Schäden an dem Pkw des Klägers nicht angenommen werden, da ein spezialisiertes Wissen zur vollständigen und zuverlässigen Schadensbehebung nicht gefordert gewesen sei. Auch im Hinblick auf das Alter und die Laufleistung des Fahrzeugs sei ein besonderes schützenswertes Interesse des Klägers an der Reparatur durch eine Vertragswerkstatt nicht erkennbar, da nicht davon auszugehen sei, dass sich dies bei einem hypothetischen Verkauf tatsächlich im zu erzielenden Preis anders niederschlüge als eine Reparatur in der freien Werkstatt E.

[5] II. Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

[6] 1. Der erkennende Senat hat in seinen Entscheidungen vom 20.10.2009 (VI ZR 53/09 – VersR 2010, 225, z.V.b. in BGHZ) und vom 23.2.2010 (VI ZR 91/09 – z.V.b.) grundsätzlich Stellung dazu bezogen, unter welchen Voraussetzungen ein Geschädigter, der den Ersatz fiktiver Reparaturkosten begehrt, gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB die Erstattung der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt verlangen kann. Danach leistet der Geschädigte dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zu G...

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