Die Verkehrssicherungspflicht hat ihre Grundlagen im Privatrecht (§§ 823, 863 BGB). Allerdings kann die VSP durch staatlichen Organisationsakt (siehe z.B. die gesetzliche Regelung in Art. 72 BayStrWG) auch zu einer öffentlich-rechtlichen Pflicht (Amtspflicht i.S.d. § 839 BGB) werden. Inhaltlich ergeben sich dadurch aber keine Änderungen.

Ausgangspunkt für die Anerkennung von Verkehrssicherungspflichten ist die Überlegung, dass ein Geschädigter grundsätzlich nur dann Ansprüche hat, wenn seine Rechtsgüter aktiv durch die Handlungen eines anderen verletzt wurden. Nur in Ausnahmefällen kann ein Unterlassen zum Schadensersatz verpflichten, nämlich dann, wenn für einen Dritten eine Pflicht zum Handeln bestand – wenn er also etwa eine Verkehrssicherungspflicht hat. Solche Verkehrssicherungspflichten können sich daraus ergeben, dass jemand – der Verfügungsberechtigte – seine Anlagen und Einrichtungen der Öffentlichkeit zur Benutzung zur Verfügung stellt oder diese zumindest duldet. Der Verfügungsberechtigte hat dann im Rahmen seiner Möglichkeiten alles Zumutbare zu tun, dass andere nicht zu Schaden kommen.

Träger der VSP ist derjenige, der die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit besitzt, selbstständig eine für die Verkehrssicherheit erforderliche Maßnahme zu treffen.[3] Das kann z.B. der Eigentümer, aber auch der Mieter oder Pächter sein.

Die praktisch völlige Gefahrlosigkeit von Verkehrseinrichtungen kann allerdings mit zumutbaren Mitteln nicht erreicht und deshalb vom Verkehrssicherungspflichtigen auch nicht verlangt werden. Die VSP geht daher auch nicht weiter, als dass der Verpflichtete in geeigneter und zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen oder gegebenenfalls vor ihnen warnen muss, die der Zustand der öffentlich zugänglichen Einrichtung im dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand für den Verkehrsteilnehmer in sich birgt und die auch für den Verkehrsteilnehmer, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt walten lässt, bei zweckgerechter Benutzung der Einrichtung nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht ohne weiteres einzustellen und einzurichten vermag.[4] Es werden also nur die Vorkehrungen geschuldet, die im Rahmen der berechtigten Sicherheitserwartungen des in Betracht kommenden Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von den Verkehrsteilnehmern abzuwehren.[5]

Welche Maßnahmen zu ergreifen sind, hängt jeweils vom Einzelfall ab. Allgemein hat der Verantwortliche diejenigen Maßnahmen zu treffen, die objektiv erforderlich und nach objektiven Maßstäben zumutbar sind, um die Gefahr abzuwenden. Hierbei ist ein generell-abstrakter Maßstab, d.h., unter Einbeziehung der denkbar ungünstigsten Wahrnehmungsbedingungen anzulegen, da der VS-Pflichtige auch für diese möglichen Situationen Vorsorge treffen muss.[6]

Die Grundsätze der Verkehrssicherungspflicht finden sich zusammengefasst bei OLG Hamm, Urt. v. 11.1.2013:[7]

Zitat

Derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die hiernach gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch und eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr deshalb erst dann, wenn sich die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist sodann genügt, wenn im Ergebnis der Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Zu treffen sind die Sicherheitsvorkehrungen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind.

[3] BGH, BGHZ 9, 373.
[4] BGH, VkBl. 1960, 147.
[5] Für Straßen: Burmann, Die Verkehrssicherungspflicht für den Straßenverkehr, NZV 2003, 20.
[6] OLG Hamm, VerkMitt. 2006, 68.
[7] OLG Hamm, Urt. v. 11.1.2013 – 12 U 130/12: Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht kann sich bei einem Reitunfall aus der Art der Übung, dem Alter und der Erfahrenheit von Reitschüler und Pferd, aus den konkreten Umständen des Einzelfalls, aus Warnzeichen in der konkreten Situation sowie aus einem falschen Eingriff des Reitlehrers oder unterlassenen Maßnahmen ergeben.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge