"… II. [5] Diese Ausführungen [des Berufungsgerichts] halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand."

[6] 1. Zutreffend geht allerdings das Berufungsgericht von der Anwendbarkeit des § 628 BGB aus.

[7] a) Der zwischen den Parteien geschlossene Anwaltsvertrag stellt einen Dienstvertrag dar, der eine Geschäftsbesorgung zum Inhalt hat. Dies gilt für die typischen Anwaltsverträge, welche die Beratung des Mandanten oder dessen Rechtsbeistand zum Gegenstand haben. Nur ausnahmsweise kann der Anwaltsvertrag als Werkvertrag einzuordnen sein, wenn nämlich ein durch anwaltliche Arbeit herbeizuführender Erfolg den Gegenstand der Verpflichtung des Rechtsanwalts bildet. Dies ist gewöhnlich dann der Fall, wenn der Anwalt es übernimmt, Rechtsauskunft über eine konkrete Frage zu erteilen oder ein schriftliches Rechtsgutachten anzufertigen (BGH NJW 1965, 106). Nach den tatrichterlichen Feststellungen schuldete der Kl. – auch soweit er sich verpflichtet hatte, zwei Vertragsentwürfe zu fertigen – nicht einen objektivierbaren Erfolg, sondern nur eine sach- und interessengerechte Bearbeitung. Er schuldete – neben den Vertragsentwürfen – darüber hinaus und in erster Linie die Beratung der Bekl. in den Angelegenheiten der geplanten Grundstücksübertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Damit stellte die Dienstleistung in Form der Beratung das prägende Hauptmerkmal des zwischen den Parteien geschlossenen Anwaltsvertrages dar (vgl. Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, 5. Aufl., § 10 Rn 24, 26; § 11 Rn 35; Rinkler in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 1 Rn 5 ff.).

[8] b) Die Bekl. hat diesen Anwaltsvertrag durch Schreiben vom 10.10.2014 nach § 627 Abs. 1 BGB wirksam gekündigt. Nach dieser Regelung ist bei einem Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis i.S.d. § 622 BGB ist, die Kündigung ohne die besonderen Voraussetzungen des § 626 BGB zulässig, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete Dienste höherer Art zu leisten hat, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, und nicht in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen steht. Rechtsanwälte – so auch der Kl. in vorliegendem Fall – leisten i.d.R. Dienste höherer Art i.S.d. § 627 BGB (vgl. BGH NJW 1987, 315, 316). Der ihnen erteilte Auftrag kann deswegen jederzeit und ohne Angabe von Gründen mit sofortiger Wirkung beendet werden (vgl. BGH NJW 2010, 1520 Rn 9).

[9] 2. Der Kl. kann daher nach § 628 Abs. 1 S. 1 BGB einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen. Der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts entsteht nicht bereits mit dem Abschluss des Vertrages, sondern mit seiner ersten Tätigkeit (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 23. Aufl., § 1 Rn 103). Es kann dahinstehen, ob der Honoraranspruch des Kl. nach dem RVG bereits (in voller Höhe) mit der Entgegennahme der Informationen entstanden ist (vgl. Müller-Rabe, a.a.O.). Dies könnte deswegen zweifelhaft sein, weil der Kl. diese Informationen im Rahmen der Erstberatung entgegengenommen hatte, die nach der zwischen den Parteien gem. § 34 Abs. 1 S. 1 RVG getroffenen Vergütungsvereinbarung gesondert vergütet werden sollte. Denn der Kl. hatte nach seinem von der Bekl. allerdings bestrittenen und revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag vor Zugang der mündlichen und der schriftlichen Kündigung mit der Erstellung der Vertragsentwürfe begonnen.

[10] 3. Die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 628 Abs. 1 S. 2 Fall 2 BGB liegen entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts nicht vor.

[11] a) Der Kl. hat die von der Bekl. am 10.10.2014 ausgesprochene Kündigung nicht durch ein schuldhaft vertragswidriges Verhalten veranlasst, selbst wenn unterstellt wird, dass die von ihm gefertigten Vertragsentwürfe ein die Bekl. zur Kündigung berechtigendes vertragswidriges Verhalten des Kl. darstellen. Denn die Bekl. hat am 10.10.2014 die Kündigung nicht mit der Fehlerhaftigkeit der Vertragsentwürfe begründet, sondern damit, sie brauche noch Bedenkzeit und werde den Wert der Häuser erst schätzen lassen.

[12] aa) Für § 628 Abs. 1 S. 2 BGB wird allgemein vertreten, dass die schuldhafte Vertragsverletzung der Grund für die außerordentliche Kündigung gewesen sein muss. Die Vertragswidrigkeit müsse für die konkrete Kündigung kausal gewesen sein. Erlange der Kündigende erst später Kenntnis von einer hinreichenden Vertragswidrigkeit, fehle die Kausalität (Staudinger/Preis, BGB, 2016, § 628 Rn 25; Erman/Belling/Riesenhuber, BGB, 15. Aufl., § 628 Rn 14; Sandmann in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl., § 628 Rn 25; MüKo-BGB/Henssler, 7. Aufl., § 628 Rn 19; BeckOGK-BGB/Günther, 2019, § 628 Rn 71 f.; Juretzek DStR 2018, 2449, 2450; Mayer FD-RVG 2018, 407598). In diesem Sinne hat der BGH zum Honoraranspruch des Arztes entschieden: Veranlassung bedeute, dass zwischen dem vertragswidrigen Verhalten und der Kündigung ein unmittelbarer Zusammenhang bestehe. Dies sei dann der Fall, wenn die Vertragsverletzung Motiv für die außerorde...

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