II. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. In der Sache hat sie teilweise Erfolg.

1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB, §§ 7 Abs. 1, 11 Satz 2 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StVG ein weiteres Schmerzensgeld von 5.000,– EUR zu …

2. Der Klägerin steht ferner für die Zeit ab dem 5.6.2017 befristet bis zum 30.9.2037 ein Anspruch auf Ersatz des Haushaltsführungsschadens in Höhe von monatlich 135,– EUR bzw. vierteljährlich 405,– EUR zu.

a) In dem Verlust der Fähigkeit, weiterhin Haushaltsarbeiten zu verrichten, liegt ein ersatzfähiger Schaden. Er stellt sich je nachdem, ob die Hausarbeit als Beitrag zum Familienunterhalt oder den eigenen Bedürfnissen des Verletzten diente, entweder als Erwerbsschaden i.S.d. § 843 Abs. 1 Alt. 1 BGB oder als Vermehrung der Bedürfnisse i.S.d. § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB dar, und ist in dem einen wie dem anderen Fall messbar an der Entlohnung, die für die verletzungsbedingt in eigener Person nicht mehr ausführbaren Hausarbeiten an eine Hilfskraft gezahlt wird (dann Erstattung des Bruttolohns) oder gezahlt werden müsste (dann Orientierung am Nettolohn). Zu diesem Zwecke ist festzustellen, welche Hausarbeiten der Verletzte vor dem Schadensfall zu verrichten pflegte, wieweit ihm diese Arbeiten nun nicht mehr möglich (oder zumutbar) sind und für wieviel Stunden folglich eine Hilfskraft benötigt wird oder – bei anderweitigem Ausgleich des Hausarbeitsdefizits – benötigt würde (vgl. BGH, Urt. v. 8.10.1996 – VI ZR 247/95 –, Rn 7, juris; Urt. v. 6.6.1989 – VI ZR 66/88 –, Rn 9, juris). Für den ersatzfähigen Haushaltsführungsschaden ist Maßstab die konkrete haushaltsspezifische Behinderung des Geschädigten, d.h. die Frage, in welchem Umfang er bei der Ausübung der von ihm übernommenen Haushaltstätigkeiten durch die Verletzung gehindert ist (vgl. OLG Celle, Urt. v. 31.1.2023 – 14 U 133/22 –, Rn 123, juris; OLG München, Urt. v. 16.2.2022 – 10 U 6245/20 –, Rn 33, juris; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.4.2021 – I-1 U 38/20 –, Rn 64, juris).

b) Nach den unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts hat die Klägerin vor dem Unfall die im Schriftsatz vom 24.6.2021 dargestellten Haushaltstätigkeiten überwiegend übernommen und hierfür insgesamt 21 Wochenstunden (im Schnitt 3 Stunden täglich) aufgewandt. Keinen Bedenken begegnet, dass das Landgericht auf Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. für die Zeit ab dem 5.6.2017 von einer dauerhaften haushaltsspezifischen MdE von 15 % ausgegangen ist.

Zwar verhält sich nach den Feststellungen des Sachverständigen das versteifte Segment wie ein Wirbel und führt die bestehende Versteifungsstrecke nicht zu einer individuell wahrnehmbaren Einschränkung der Beugefähigkeit. Auch ist eine sehr gute Wirbelsäulenbeweglichkeit gewährleistet und die Einschränkungen bspw. beim Bücken unfallbedingt gering und die Tätigkeit über Kopf durch die Unfallfolgen nicht beeinträchtigt. Gleichwohl ist der Sachverständige nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass infolge der Wirbelsäulenverletzung bei der Klägerin nach wie vor Einschränkungen über alle Tätigkeiten im Haushalt anzunehmen sind und eine dauerhafte haushaltsspezifische MdE von 15 % besteht. Dabei hat der Sachverständige auch berücksichtigt, dass bei der Klägerin unfallunabhängige Veränderungen an der Lendenwirbelsäule bestehen, die nach seiner Auffassung stärker als die Unfallfolgen die Fähigkeit beeinträchtigen, sich nach vorne zu beugen, wobei eine wechselseitige Beeinflussung mit den Unfallfolgen nicht besteht. Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 11.4.2023 erneut einwendet, die verbleibenden Unfallfolgen behinderten die Haushaltsführungstätigkeiten nicht, hat der Sachverständige bereits in seinem Ergänzungsgutachten vom 29.10.2021 nachvollziehbar und schlüssig erläutert, dass durch das Einbringen der Metallmaterialien in der Umgebung der Wirbelsäule Vernarbungen entstehen, die ihrerseits beeinträchtigen können, und die Anschlusssegmente an die Versteifungsstrecke nach oben und unten mehr belastet sind. Die Funktionseinschränkung resultiert im vorliegenden Fall nach den Ausführungen des Sachverständigen letztendlich aus einem komplexen Zusammenwirken verschiedener Unfallfolgen im Bereich der Wirbelsäule, die theoretisch unterstellt werden und im "konsentierten", bewährten und gut durchdachten Erfahrungswertesystem verschiedener Versicherungsgebiete und Betrachtungsrichtungen (MdE, Invalidität etc.), aus denen der Sachverständige unter Berücksichtigung eines 5 %-igen Abschlags die haushaltsspezifische MdE herleitet, abgebildet sind. Im Rahmen der mündlichen Erläuterung des Gutachtens hat er weiter ausgeführt, dass unfallbedingt bewegungsabhängige Schmerzen im oberen Lendenwirbelsäulenbereich plausibel sind und durch die Versteifung eine Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule vorliegt. Nach alledem ist der Senat im Rahmen des § 287 ZPO davon überzeugt, dass bei der Klägerin seit dem 5.6.2017 dauerhaft eine haushalt...

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