Die Krankentagegeldversicherung des Klägers endete nicht wegen Eintritts von Berufsunfähigkeit. Der Kläger war bis einschließlich zum 30.9.2020 arbeitsunfähig und hat dementsprechend einen Anspruch auf weitere Krankentagesgeldzahlungen abzüglich der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Beitragsforderungen der Beklagten.

A. Die Krankentagegeldversicherung endete nicht zum 20.4.2020. Die Beklagte hat die Berufsunfähigkeit des Klägers im Sinne der Versicherungsbedingungen zu diesem Zeitpunkt nicht bewiesen.

1. Gemäß § 15 Nr. 1 lit. b AVB liegt Berufsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 % erwerbsunfähig ist. Für die Prognose kommt es ggf. rückschauend, aber aus der ex ante-Perspektive auf den Zeitpunkt an, für den der Versicherer das Ende seiner Leistungspflicht behauptet (vgl. BGH zfs 2010, 513, m. Anm. Rixecker), wobei unerheblich ist, ob die Prognose zutreffend war oder der Versicherungsnehmer später doch wieder arbeiten kann (…).

Bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit in § 15 Nr. 1 lit. b MB/KT ist nach dem maßgebenden Verständnis des durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers die zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit der versicherten Person in ihrer konkreten Ausprägung maßgeblich. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer versteht unter dem "bisher ausgeübten Beruf" im Sinne von § 15 Nr. 1 lit. b AVB dasselbe wie unter dem Begriff der "beruflichen Tätigkeit", die die versicherte Person nach § 1, Abs. 3 MB/KT vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, um arbeitsunfähig zu sein (…). Maßstab im letztgenannten Sinne ist der bisherige Beruf in seiner konkreten Ausprägung, so dass auch eine durch besondere Umstände an dem Arbeitsplatz wie eine tatsächliche oder als solche empfundene Mobbingsituation bedingte psychische und/oder physische Erkrankung zu einer Arbeitsunfähigkeit führen kann (BGH zfs 2011, 243).

Dies hat zur Folge, dass im Rahmen der Beurteilung einer Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers nach § 15 Nr. 1 lit. b AVB nur die Tätigkeiten zur Berufsausübung gehören, die dem Berufsbild entsprechen, das sich aus der bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit konkret ausgeübten Tätigkeit der versicherten Person ergibt. Die berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers als solche bestimmt sich mithin nicht nach dem allgemeinen Berufsbild (BGH zfs 2017, 161).

Das zugrundezulegende Verständnis des Versicherungsfalls in der Krankentagegeldversicherung bedeutet trotz der Maßgeblichkeit der konkreten Ausprägung der beruflichen Tätigkeit aber keine (ungerechtfertigte) Gleichsetzung des Begriffs der beruflichen Tätigkeit mit dem des Arbeitsplatzes (…). Die Unfähigkeit, der konkreten Tätigkeit am Arbeitsplatz nachzugehen, bedingt daher nicht zwangsläufig eine Berufsunfähigkeit im Sinne von § 15 Nr. 1 lit. b MK/KK, wie aber die Beklagte zu meinen scheint.

2. Der sich negativ auf die geistige und körperliche Gesundheit des Klägers auswirkende Arbeitsplatzkonflikt, der nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. H1 zu seiner Arbeitsunfähigkeit führte, hinderte den Kläger nicht generell, seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Tatsächlich konnte er die entsprechende berufliche Tätigkeit nach den gutachterlichen Feststellungen zu jeder Zeit ausüben.

Der Kläger befand sich zwar unstreitig wegen Depressionen in medizinischer Heilbehandlung und war seit Mai 2019 deswegen arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der SV Dr. H1 hat festgestellt, dass es sich bei der Erkrankung des Klägers um eine mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom gehandelt hat, die durch einen Arbeitsplatzkonflikt ausgelöst wurde. Entgegen der in der Sch.-Klinik (…) angenommenen Diagnose (wiederkehrende depressive Störung, ICD-10, F33), habe lediglich eine mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom (ICD-10, F32.11.) vorgelegen (…). Nach den Ausführungen des Sachverständigen hat der Kläger alle Tätigkeiten, die er als Leiter der strategischen Finanzplanung habe ausführen müssen, grundsätzlich uneingeschränkt leisten können. Aus medizinischen Gründen habe er seinen Aufgaben grundsätzlich uneingeschränkt nachgehen können. Die Wiederaufnahme der konkreten Tätigkeit sei lediglich durch die psychische Erkrankung aufgrund der besonderen Umstände an dem Arbeitsplatz, konkret durch den Arbeitsplatzkonflikt, den der Kläger als gegen sich gerichtetes Mobbing empfunden habe, verhindert worden. Daher sei er zwar gehindert gewesen, an den Arbeitsplatz zurückzukehren, aber nicht, der beruflichen Tätigkeit an sich nachzukommen. Der Kläger habe seine Aufgaben bei jedem anderen … , d.h. mit anderen Mitarbeitern und Vorgesetzten, erfüllen können. Lediglich wegen der Gefahr der Verschlechterung seines Gesundheitszustandes, wenn er sich dem bisherigen Umfeld wieder ausgesetzt gesehen hätte, sei er über den 28.8. hinaus bis zum 30.9.2020 arbeitsunfähig gewesen.

Seine überzeugenden Ausführungen in dem schriftlichen...

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