StPO § 147 § 304

Leitsatz

1. Gegen die Versagung von Akteneinsicht durch das AG nach Abgabe an das Gericht und vor dem Hauptverhandlungstermin ist die Beschwerde zulässig. Dass über den Antrag nicht durch Beschluss entschieden worden ist, sondern die Ablehnung durch eine formlose Mitteilung erfolgt ist, steht der Möglichkeit zur Einlegung einer Beschwerde nicht entgegen.

2. Bei dem Antrag auf Herausgabe der Messdaten etc. handelt es sich nicht um einen – nicht der Beschwerde zugänglichen – Beweisantrag, sondern um einen Antrag auf Akteneinsicht.

3. Dem Betr. steht ein Anspruch auf Zurverfügungstellung der Messdaten zu und zwar auch, wenn sie nicht Bestandteil der Akte sind. Die Verwaltungsbehörde hat dem Betr. daher bereits vor Erlass des Bußgeldbescheides Zugang zu Informationen zu gewähren, die für seine Verteidigung von Bedeutung sein können.

LG Kaiserslautern, Beschl. v. 22.5.2019 – 5 Qs 51/19

Sachverhalt

Eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 17 km/h durch den Betr. wurde mit Bußgeld geahndet. Die Geschwindigkeitsmessung wurde mit dem Messsystem PoliScan Speed FM 1 Softwareversion 4.4.5 durchgeführt. Nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid beantragte die Verteidigerin eine gerichtliche Entscheidung dahingehend, die Verwaltungsbehörde anzuweisen, der Verteidigung die Falldatensätze der gesamten tatgegenständlichen Messreihe mit Rohmessdaten/Einzelmesswerten sowie die Statistikdatei und die Case-List, sämtliche vorhandenen Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichunterlagen des Messgerätes seit der ersten Inbetriebnahme, die Konformitätsbescheinigung zum Messgerät, Aufbau- bzw. Einbauanweisung der Firma Vitronic für das Messgerät PoliScan FM1 bei Verwendung in einem Trailer sowie die verkehrsrechtliche Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung zur Verfügung zu stellen. Das AG lehnte dies mit Beschluss ab. Es stünden datenschutzrechtliche Erwägungen entgegen. Nach Abgabe des Verfahrens an das AG und Terminbestimmung zur Hauptverhandlung beantragte die Verteidigerin erneut die Zurverfügungstellung mit ausführlicher Begründung. Mit Verfügung teilte das AG formlos mit, dass die Unterlagen dem Gericht nicht vorlägen und das Gericht keinen Anlass sehe, diese beizuziehen. Gegen diese Entscheidung hat der Betr. Beschwerde eingelegt. Das LG Kaiserslautern hat die Entscheidung des AG aufgehoben und das Polizeipräsidium Rheinpfalz, Zentrale Bußgeldstelle, angewiesen, der Verteidigerin die digitalen Falldatensätze der gesamten tatgegenständlichen Messreihe mit Statistikdatei und Case-List auf einem von ihr bereitgestellten Speichermedium zur Verfügung zu stellen.

2 Aus den Gründen:

"… II. Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet."

1. Die Beschwerde ist zulässig. Dass das AG Kaiserslautern über den Antrag nicht durch Beschluss entschieden, sondern seine Ablehnung durch eine formlose Mitteilung bekanntgegeben hat, steht der Möglichkeit zur Einlegung einer Beschwerde nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 304 ff. StPO nicht entgegen (vgl. LG Hanau zfs 2019, 234 m.w.N.).

Der Zulässigkeit der Beschwerde steht auch § 305 S. 1 StPO, wonach Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen, nicht der Beschwerde unterliegen, nicht entgegen. Der Beschwerdeausschluss in § 305 S. 1 StPO ist vorliegend nicht einschlägig. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, Verfahrensverzögerungen zu verhindern, die eintreten würden, wenn Entscheidungen der erkennenden Gerichte sowohl auf eine Beschwerde, als auch auf ein Rechtsmittel gegen das Urteil überprüft werden müssten (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 305 Rn 1). Demensprechend greift der Ausschluss nur, wenn das Urteil anfechtbar ist und für Entscheidungen, die in innerem Zusammenhang mit der Urteilsfällung stehen, ausschließlich ihrer Vorbereitung dienen, bei der Urteilsfällung selbst der nochmaligen Prüfung des Gerichts unterliegen und keine weiteren Verfahrenswirkungen äußern (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 305 Rn 1 m.w.N.; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 21.5.2015 – 1 Ws 80/15, BeckRS 2015, 11166). Anfechtbar mit der Beschwerde sind hingegen Entscheidungen, bei denen die Beschwer des Betr. durch Anfechtung des Urteils nicht mehr beseitigt werden kann, wobei die Aufzählung in § 305 S. 2 StPO insoweit nicht abschließend ist (KK-StPO/Zabeck, StPO, 8. Aufl., § 305 Rn 12).

Ob die Nichtherausgabe von Messdaten, Lebensakte und ähnlichem nach Verurteilung des Betr. in einem Rechtsbeschwerdeverfahren überprüft werden kann, ist umstritten und wird in der obergerichtlichen Rspr. unterschiedlich beurteilt (bejahend: OLG Celle BeckRS 2016, 20705; OLG Oldenburg BeckRS 2015, 12484; verneinend: OLG Bamberg BeckRS 2016, 06531; OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.8.2016 – 2 Ss-OWi 589/16; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.10.2017 – Ss Rs 17/2017 (30/17 OWi)). Es besteht daher das Risiko, dass der Betr. keine Möglichkeit hat, mit der Rechtsbeschwerde die Nichtherausgabe der Messdaten und anderer Daten zu rügen. Zur Vermeidung eines später nicht mehr zu beseitige...

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