BGB § 823 Abs. 1 § 1004; BDSG § 27 § 28; VVG § 213

Leitsatz

Die Zulässigkeit der Anwendung verdeckter Ermittlungsmethoden durch den VR gegenüber dem VN, vor allem eine Observation, setzt voraus, dass konkrete tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er vorsätzlich seine Pflichten aus dem Versicherungsvertrag verletzt hat.

(Leitsatz der Schriftleitung)

OLG Köln, Urt. v. 3.8.2012 – 20 U 98/12

1 Aus den Gründen:

" … Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (§§ 935, 940 ZPO) sowohl hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Unterlassung von Observierungsmaßnahmen als auch hinsichtlich des Anspruchs auf Herausgabe und Löschung der gewonnenen Ermittlungsergebnisse zu Recht zurückgewiesen."

1. Dem Verfügungskläger steht gegen die Verfügungsbeklagte kein Anspruch auf Unterlassung von Observierungsmaßnahmen, auf Unterlassung der Anfertigung von Foto- und Filmaufnahmen und auf Unterlassung der Sammlung personenbezogener Daten zu. Ein solcher Anspruch folgt weder aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag noch aus einer entsprechenden Anwendung von § 1004 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB. Der Verfügungskläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass die Verfügungsbeklagte durch die Observierung seine Rechte verletzt hat und die Gefahr weiterer Rechtsverletzungen besteht.

a. Neben dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als absolutes Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB sind die Vertragsparteien eines Versicherungsvertrags gem. § 241 Abs. 2 BGB zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet; der VN hat deshalb auch einen vertraglichen Anspruch auf Beachtung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die im Versicherungsverhältnis geltenden besonderen gegenseitigen Treuepflichten … verpflichten den VN, den VR umfassend und wahrheitsgemäß über die vertragserheblichen Umstände zu informieren. Im Gegenzug ist der VR verpflichtet, bei der Nachprüfung der Angaben des VN die berechtigten Interessen und Rechtsgüter des VN zu wahren. Eine Überprüfung der Auskünfte des VN mit verdeckten Ermittlungsmethoden wie der Observierung ist mit dem im Versicherungsverhältnis geltenden Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme grds. nicht vereinbar. Kein Vertragspartner muss hinnehmen, dass der andere ihn grundlos bespitzelt (Fricke, VersR 2010, 308, 313). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt aber dann, wenn der über bloße Zweifel an der Richtigkeit der Angaben hinausgehende begründete Verdacht für ein vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des VN besteht (vgl. zur erforderlichen Verdachtslage: BGH VersR 2007, 285 und VersR 2009, 1063 für den Bereich der Krankentagegeldversicherung). Insb. bei Verdacht auf ein arglistiges Vorgehen muss es dem VR möglich sein, durch verdeckte Ermittlungen Erkenntnisse zu gewinnen. Denn bei Arglist besteht für den Fall der offenen Nachfrage beim VN die Gefahr, dass dieser Beweismittel unterdrückt oder auf andere Weise sein vertragswidriges Verhalten verschleiert.

Will der VR verdeckte Ermittlungsmethoden wie eine Observation anwenden, müssen konkrete tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der VN vorsätzlich seine Pflichten aus dem Versicherungsvertrag verletzt (vgl. BGH a.a.O.), wobei Art und Umfang der verdeckten Ermittlungen im Hinblick auf das zu beachtende allgemeine Persönlichkeitsrecht des VN am Maßstab der Verhältnismäßigkeit zu messen sind, also geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen angemessen sein müssen. Die gegenläufigen Belange sind im Rahmen einer umfassenden Abwägung einander gegenüberzustellen (vgl. BVerfG VersR 2006, 1669).

b. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Verfügungsbeklagte durch die Einleitung und Durchführung von verdeckten Observierungsmaßnahmen vorliegend nicht ihre vertragliche und gesetzliche Pflicht zur Beachtung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Verfügungsklägers verletzt.

aa. Nach den von der Verfügungsbeklagten durch eine Recherche im Internet gewonnenen Erkenntnissen bestand der konkrete Verdacht, dass der Verfügungskläger gegenüber der Verfügungsbeklagten bewusst falsche Angaben über seine körperliche und geistige Leistungsfähigkeit sowie den Umfang seiner tatsächlich ausgeübten Berufstätigkeit gemacht und damit seine vertraglichen Pflichten zur Erteilung sachdienlicher, wahrheitsgemäßer Auskünfte im Rahmen einer Nachprüfung (§ 7 Abs. 2 BB-BUZ) vorsätzlich verletzt hatte.

Der Verfügungskläger hatte in einem von ihm unter dem 24.9.2011 ausgefüllten Fragebogen gegenüber der Verfügungsbeklagten angegeben, seine berufliche Tätigkeit bestehe aus “Bürobesprechungen’ mit einem Stundenaufwand von ca. 2 Stunden täglich an 2–3 Tagen in der Woche; er habe die kaufmännischen Arbeiten weitgehend delegiert und arbeite “nur noch in minimalem Umfang’. Das war mit den Angaben, die sich zum damaligen Zeitpunkt auf der Internetpräsenz der E GmbH befanden, nicht plausibel in Einklang zu bringen. Dort wurde der Verfügungskläger nicht nur im Rahmen der Angaben zur Handelsr...

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