Aus den Gründen: „ … Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet.

Zu Unrecht hat das VG den Bescheid des Landratsamtes R. vom 6.2.2006 in der Gestalt der Änderungsverfügung des Landratsamtes vom 17.5.2006 aufgehoben. Denn der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1) Die auf die Nichtbeibringung des mit Schreiben vom 10.1.2006 geforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens gestützte Entziehung der dem Kläger in Polen am 14.10.2005 erteilten Fahrerlaubnis der Klasse B (Ziff. 1 der Verfügung vom 6.2.2006) ist rechtmäßig.

a) aa) Das Gemeinschaftsrecht, insbesondere der Anerkennungsgrundsatz des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG, steht der Entziehung der dem Kläger im EU-Ausland erteilten Fahrerlaubnis unter Berücksichtigung von Umständen, die vor der Fahrerlaubniserteilung liegen, nicht entgegen (BVerwG, Urt. v. 11.12.2008 – 3 C 26.07 –, Rn 27).

Aus den Urteilen des EuGH vom 26.6.2008 (Rs. C-329/06 und C-343/06 [zfs 2008, 473] sowie C-334/06 bis C-336/06) zur Auslegung der Art. 1 Abs. 2, 7 Abs. 1 sowie Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG ergibt sich, dass der Aufnahmemitgliedstaat die Anerkennung einer im EU-Ausland erteilten Fahrerlaubnis ablehnen kann, wenn auf der Grundlage von Angaben im Führerschein oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststeht, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins sein Inhaber, auf den im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates eine Maßnahme des Entzugs einer früheren Fahrerlaubnis angewendet worden ist, seinen ordentlichen Wohnsitz i.S.v. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaats hatte. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Zwar ist in dem dem Kläger in Polen ausgestellten Führerschein in der Rubrik Nr. 8 ("Wohnort") eine Adresse in der Stadt Stettin (Szczecin) angegeben. Aus der an das Kraftfahrt-Bundesamt gerichteten Mitteilung der Stadt Stettin vom 20.3.2008 ergibt sich aber, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Erteilung der polnischen Fahrerlaubnis (14.10.2005) seinen ordentlichen Wohnsitz i.S.v. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG nicht im polnischen Hoheitsgebiet hatte (Meldung in Stettin lediglich im Zeitraum vom 18.7. bis zum 15.10.2005). Aus dieser Nachricht der Stadt Stettin ist ferner zu schließen, dass das Wohnsitzerfordernis des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG erst am 21.10.2005 in nationales polnisches Recht umgesetzt worden ist. Als Wohnort i.S.d. Richtlinie 91/439/EWG gilt nach deren Art. 9 der Ort, an dem ein Führerscheininhaber wegen persönlicher und berufliche Bindungen oder – im Falle eines Führerscheininhaber ohne berufliche Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen dem Führerscheininhaber und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d.h. während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt. Als örtlicher Wohnsitz eines Führerscheininhaber, dessen berufliche Bindungen an einem anderen Ort als dem seiner persönlichen Bindungen liegen und der sich daher abwechselnd an verschiedenen Orten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten aufhalten muss, gilt jedoch der Ort seiner persönlichen Bindungen, sofern er regelmäßig dorthin zurückkehrt. Im Hinblick auf die Angaben der Stadt Stettin zur dortigen Meldung des Klägers ist der Senat zugunsten des Klägers von der Möglichkeit ausgegangen, er sei im Juli 2005 nach Polen umgezogen und habe dort einen Aufenthalt beabsichtigt, der die Anforderungen eines Wohnsitzes i.S.v. Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG erfüllt. Denn eine Person, die in Ausnutzung des Rechts auf Freizügigkeit sich mit dieser Intention in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union begibt, muss berechtigt sein, eine Fahrerlaubnis in dem neuen Aufnahmemitgliedstaat zu beantragen und zu erhalten, auch wenn der Aufenthalt im Ausstellermitgliedstaat vor Ablauf der Frist von 185 Tagen unvorhergesehen wieder beendet wird. Auf die Aufforderungen des Senats, die Umstände seiner lediglich dreimonatigen Meldung in Polen näher zu erläutern, hat der Kläger nicht reagiert. Die Anfrage bei dem erst beim Rentenversicherer des Klägers ermittelten Arbeitgeber hat dann ergeben (9.3.2009), dass der Kläger während des gesamtes Jahres 2005 durchgehend in Waiblingen-Hohenacker beschäftigt war und in der Zeit, in der er in Polen gemeldet war, tatsächlich nur wenige Wochen Urlaub hatte (11. bis 29.7. sowie 28.9. bis 5.10.2005).

Dass das von der Richtlinie 91/439/EWG vorgeschriebene Wohnortprinzip in Polen erst nach der Erteilung der Fahrerlaubnis (am 21.10.2005) eingeführt worden ist, ist nicht von Bedeutung. Maßgeblich ist allein, dass die Fahrerlaubnis unter Verstoß gegen die – auch für die Polnische Republik zwingenden – gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben erteilt worden ist. In der Rspr. des EuGH ist ferner anerkannt, dass die Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die der Gerichtshof in Ausübung der ihm durch Art. 234 Buchst. a EGV ...

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