[…] II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Der Beschluss des AG hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das AG hat im Rahmen der – nach wirksamer Beschränkung des Rechtsmittels zur Prüfung des Senats stehenden – Rechtsfolgenbestimmung zu Unrecht angenommen, vom Halter gemachte Aufwendungen seien nicht in Abzug zu bringen.

a) Nach § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG soll die Geldbuße den aus der Ordnungswidrigkeit gezogenen wirtschaftlichen Vorteil übersteigen. Der Wortlaut gebietet grundsätzlich eine Saldierung. Es gilt das Nettoprinzip. In diesem Rahmen sind von den durch die Tat erlangten wirtschaftlichen Zuwächsen die Kosten und Aufwendungen des Betroffenen abzuziehen (BGH, Beschl. v. 8.12.2016 – 5 StR 424/15, StV 2018, 43 [Ls. 2]). Maßgeblich ist ein Vergleich der wirtschaftlichen Position vor und nach der Tat (KK-OWiG/Mitsch, 5. Aufl. 2018, OWiG § 17 Rn 118).

aa) Die konkrete Abzugsfähigkeit ist dabei stets anhand des Einzelfalls zu bestimmen (BGH, Beschl. v. 27.4.2022 – 5 StR 278/21, NZWiSt 2022, 410, 414 Tz. 38 a.E.). Abzugsfähig sind unter dem Nettoprinzip diejenigen Aufwendungen, die durch den Erwerbsvorgang veranlasst bzw. im unmittelbaren Zusammenhang mit der zu ahndenden Tat entstanden sind (BayObLG, NStZ-RR 2022, 217, 219; KK-OWiG/Mitsch a.a.O., § 17 Rn 120). Hypothetische Gewinne, etwa aus der Fortsetzung legalen Verhaltens, bleiben dabei allerdings außer Betracht, ebenso mögliche Erstattungsansprüche Dritter (BGH, Beschl. v. 8.12.2016 – 5 StR 424/15, wistra 2017, 242, 243 f. Tz. 4; Krenberger/Krumm OWiG, 7. Aufl. 2022, 30 Rn 42; KK-OWiG/Rogall a.a.O., § 30 Rn 141).

bb) Dies berücksichtigt das angefochtene Urteil nicht in dem rechtlich gebotenen Umfang, indem es die Abzugsfähigkeit der durch die Tat veranlassten Aufwendungen gänzlich versagt. Insoweit bedarf es weiterer tatrichterlicher Aufklärung. Soweit nur Feststellungen zu dem mit der Fahrt erzielten Umsatz möglich sind, ist eine darauf gestützte Berücksichtigung des mit der Fahrt insgesamt erzielten wirtschaftlichen Vorteils zulässig. Erforderlich sind im Rahmen einer groben Schätzung, an die keine überspannten Anforderungen zu stellen sind, nachprüfbare Angaben in den Urteilsgründen (vgl. zum Vorgehen BGH, Beschl. v. 27.4.2022 – 5 StR 278/21, NZWiSt 2022, 410, 413 ff. Tz. 27, 36 u. 44).

b) aa) Dem steht es grundsätzlich nicht entgegen, dass die Aufwendungen zu einem rechtlich missbilligten Zweck erfolgten. Allein aus der Unzulässigkeit des Verhaltens – hier: der Überschreitung der zulässigen Länge und Höhe des Fahrzeugs – folgt nach der vorzitierten neueren Rechtsprechung des BGH (Beschl. vom 27.4.2022 – 5 StR 278/21, NZWiSt 2022, 410, 414 Tz. 40 m. zust. Anm. Reichling/Borgel, wistra 2022, 390, 391) noch kein Abzugsverbot. An seiner abweichenden Auslegung für eine mit der hiesigen vergleichbaren Fallkonstellation im Beschl. v. 1.3.2022 (3 Ss-OWi 1439/21) hält der Senat nach erneuter Sachprüfung im Lichte der vorzitierten Rechtsprechung des 5. Strafsenats des BGH nicht mehr fest. Einen Abzug von Aufwendungen auszuschließen, soweit diese "gänzlich unzulässig" waren, hieße, den gesetzlich bestimmten Maßstab zu verändern (BGH, Beschl. vom 27.4.2022 – 5 StR 278/21, NZWiSt 2022, 410, 414 Tz. 40 a.E.)

bb) Soweit der 2. Senat des Oberlandesgerichts (OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.7.2019 – 2 Ss-OWi 1077/18, NStZ-RR 2019, 323, 325) für eine andere Fallgestaltung (sog. "Überladungsfahrt") ein solches Abzugsverbot unter normativ-wertenden Gesichtspunkten für Aufwendungen hat annehmen wollen, soweit diese "gänzlich unzulässig" waren, muss nicht entschieden werden, ob der 3. Senat dem für eine solche Konstellation zu folgen vermöchte.

(1) Jedenfalls nach Auffassung des 5. Strafsenats des BGH würde für eine solche Fallgestaltung allerdings der gesetzlich bestimmte Maßstab verändert (siehe nochmals BGH, Beschl. vom 27.4.2022 – 5 StR 278/21, NZWiSt 2022, 410, 414 Tz. 40 a.E.). Zugleich würde bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des BGH für solche Fälle ein Wertungswiderspruch zur Regelung in § 29a OWiG in den Raum gestellt, der im Nettoprinzip des § 17 Abs. 4 OWiG nicht angelegt ist. Zudem stünde ein solches Verständnis für jene Fallgestaltungen in einem schwer auflösbaren Spannungsverhältnis zur der mit § 30 Abs. 5 OWiG gesetzlich angeordneten Alternativität des Abschöpfungsregimes nach § 29a OWiG i.V.m. §§ 73 ff. StGB in Fällen, in denen von der Verwaltungsbehörde eine Geldbuße nach § 30 Abs. 3 i.V.m. § 17 Abs. 4 OWiG verhängt wurde. Denn beide Nebenfolgen können nicht kumulativ angeordnet werden, soweit sie durch dieselbe Tat veranlasst sind und sich gegen dieselbe Person richten (statt Vieler BGH, Urt. v. 14.2.2007 – 5 StR 323/06, NStZ-RR 2008, 13, 15; Thole, NZV 2009, 64, 65; BeckOK-OWiG/Meyberg, 37. Ed., Stand: 1.1.2023, § 29a Rn 11). Nur das Recht der Einziehung enthält aber von Gesetzes wegen in Verwirklichung des Bruttoprinzips ein Abzugsverbot für solche Aufwendungen, die "für die Begehung der Tat oder ihre Vorbereitung" (§ 29a Abs. 3 S. 2 OWiG...

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