StVO § 37

Leitsatz

1. Bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß erfordern die Urteilsfeststellungen die Wiedergabe der näheren Umstände des Verstoßes. Die Feststellungen müssen die Unterscheidung treffen, ob der Verstoß außerorts oder innerorts stattfand, da sich daran orientiert, ob weitere Ausführungen zu den örtlichen Gegebenheiten zu machen sind.

2. Mit der Ausführung, dass eine Inaugenscheinnahme von Lichtbildern stattgefunden hat, wird nur der Beweiserhebungsvorgang wiedergegeben, der für sich genommen ohne Aussagekraft ist. Der wesentliche Inhalt der in Bezug genommenen Abbildungen darf nicht unerwähnt bleiben, da eine Überprüfung des Aussagegehalts der in Augenschein genommenen Lichtbilder durch das Rechtsbeschwerdegericht dann nicht möglich ist.

3. Einer Prüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht ist die Beweiswürdigung nur dann zugänglich, wenn nicht nur der bloße Inhalt von Zeugenaussagen angegeben wird, sondern auch eine eigene Auseinandersetzung des Tatrichters mit dieser Beweisgrundlage. Andernfalls liegt nur eine Beweisdokumentation vor und keine Beweiswürdigung.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.2.2020 – 1 Ss Owi 1508/19

Sachverhalt

Das AG hat den Betr. wegen eines fahrlässigen Rotlichtverstoßes nach §§ 37 Abs. 2, 49 StVO, §§ 24, 25 StVG, 132.3 BKat, § 4 Abs. 1 BKatV zu einer Geldbuße i.H.v. 200 EUR und einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt. Das AG hat zum Tatgeschehen folgende Feststellungen getroffen: "Am 13.1.2019 befuhr der Betr. die Straße (…) Autobahnanschluss A (…) stadtauswärts mit seinem Pkw. Der Betr. missachtete das Rotlicht der dortigen Lichtzeichenanlage. Die Rotphase dauerte bereits 1,5 s an. Bei Beachtung der ihm möglichen und zumutbaren Sorgfalt hätte er diese Verkehrsordnungswidrigkeit vermeiden können. Die Rotlichtüberwachungsanlage Typ Gatso GTC-GS11 Digital mit der Seriennummer (…) wurde am 6.8.2018 mit einer Eichgültigkeit ab 31.12.2019 geeicht. Die Messstelle wurde am 5.12.2018 mit einer Eichgültigkeit ebenso bis 31.12.2019 geeicht. Die PTB-Zulassung 18.15/08.01 ist gegeben."

Auf die Rechtsbeschwerde des Betr. hat das OLG Frankfurt das Urteil des AG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

2 Aus den Gründen:

"… II."

Die nach den §§ 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 OWiG, §§ 341 Abs. 1, 344, 345 StPO statthafte Rechtsbeschwerde hat in der Sache einen – zumindest vorläufigen – Erfolg. Auf die zulässig erhobene Sachrüge gem. § 79 Abs. 3 S. 1, Abs. 6 OWiG, § 353 StPO ist das angefochtene Urteil des AG aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG Frankfurt zurückzuverweisen. Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, ob – was allerdings zweifelhaft wäre – die erhobenen Verfahrensrügen wegen Verstoßes gegen die Formerfordernisse des §§ 79 Abs. 3 S. 1, 344 Abs. 2 S. 2 StPO unzulässig wären.

1. Die Feststellungen des AG tragen die Verurteilung wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes nicht. Sie sind lückenhaft und ermöglichen keine Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht.

a) In Massenverfahren wie den Bußgeldsachen sind an die Feststellungen des Urteils nicht allzu hohe Anforderungen zu stellen (OLG Bamberg, Beschl. v. 1.12.2015 – 3 Ss OWi 834/15; KK-OWiG/Senge, 5. Aufl. 2018, § 71 Rn 106b). Die Anforderungen an den Inhalt der Urteilsgründe sind dennoch mit denen des Strafverfahrens zu vergleichen, da auch im Bußgeldverfahren dem Rechtsbeschwerdegericht nur das Urteil und nicht der gesamte Akteninhalt als Prüfungsgrundlage zur Verfügung steht. Aus diesem heraus muss sich die Überprüfbarkeit auf sachlich-rechtliche Mängel für das Rechtsbeschwerdegericht ergeben. Maßstab der Überprüfung ist damit § 46 Abs. 1 OWiG, § 267 Abs. 1 S. 1 StPO. Die den Tatbestand erfüllenden Tatsachen müssen danach jedenfalls in dem Umfang angegeben werden, dass eine Prüfung des Rechtsmittelgerichts auf die Klarheit, Widerspruchsfreiheit, Vollständigkeit und Freiheit von Verstößen gegen Denk- und Erfahrungssätze ermöglicht wird (KK-OWiG/Hadamitzky a.a.O., § 79 Rn 120).

b) Eine solche lückenlose Darstellung der Feststellungen in den Urteilsgründen bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß erfordert die Wiedergabe der näheren Umstände des Verstoßes. Die Feststellungen müssen die Unterscheidung treffen, ob der Verstoß außerorts oder innerorts stattfand, da sich daran orientiert, ob weitere Ausführungen zu den örtlichen Gegebenheiten zu machen sind. Bei einem innerörtlichen Verstoß darf das Gericht von Ausführungen zu der Dauer der Gelbphase und der zulässigen Höchstgeschwindigkeit absehen. Bei einem Verstoß außerorts hingegen, muss neben diesen Angaben auch die Entfernung des Betr. vom durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich angegeben werden, da der Betr. nur verurteilt werden kann, wenn er die Möglichkeit des Anhaltens vor der Lichtzeichenanlage hatte (OLG Hamm, Beschl. v. 2.11.2010 – III-4 RBs 374/10; OLG Bamberg, Beschl. v. 6.3.2014 – 3 Ss OWi 228/14; Freymann/Wellner/Wern, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2016, § 37 StVO Rn 93).

c) Gemessen hieran sind die Feststellungen des AG lückenhaft. Insbesondere sind ...

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