"… II."

Die nach den §§ 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 OWiG, §§ 341 Abs. 1, 344, 345 StPO statthafte Rechtsbeschwerde hat in der Sache einen – zumindest vorläufigen – Erfolg. Auf die zulässig erhobene Sachrüge gem. § 79 Abs. 3 S. 1, Abs. 6 OWiG, § 353 StPO ist das angefochtene Urteil des AG aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG Frankfurt zurückzuverweisen. Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, ob – was allerdings zweifelhaft wäre – die erhobenen Verfahrensrügen wegen Verstoßes gegen die Formerfordernisse des §§ 79 Abs. 3 S. 1, 344 Abs. 2 S. 2 StPO unzulässig wären.

1. Die Feststellungen des AG tragen die Verurteilung wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes nicht. Sie sind lückenhaft und ermöglichen keine Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht.

a) In Massenverfahren wie den Bußgeldsachen sind an die Feststellungen des Urteils nicht allzu hohe Anforderungen zu stellen (OLG Bamberg, Beschl. v. 1.12.2015 – 3 Ss OWi 834/15; KK-OWiG/Senge, 5. Aufl. 2018, § 71 Rn 106b). Die Anforderungen an den Inhalt der Urteilsgründe sind dennoch mit denen des Strafverfahrens zu vergleichen, da auch im Bußgeldverfahren dem Rechtsbeschwerdegericht nur das Urteil und nicht der gesamte Akteninhalt als Prüfungsgrundlage zur Verfügung steht. Aus diesem heraus muss sich die Überprüfbarkeit auf sachlich-rechtliche Mängel für das Rechtsbeschwerdegericht ergeben. Maßstab der Überprüfung ist damit § 46 Abs. 1 OWiG, § 267 Abs. 1 S. 1 StPO. Die den Tatbestand erfüllenden Tatsachen müssen danach jedenfalls in dem Umfang angegeben werden, dass eine Prüfung des Rechtsmittelgerichts auf die Klarheit, Widerspruchsfreiheit, Vollständigkeit und Freiheit von Verstößen gegen Denk- und Erfahrungssätze ermöglicht wird (KK-OWiG/Hadamitzky a.a.O., § 79 Rn 120).

b) Eine solche lückenlose Darstellung der Feststellungen in den Urteilsgründen bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß erfordert die Wiedergabe der näheren Umstände des Verstoßes. Die Feststellungen müssen die Unterscheidung treffen, ob der Verstoß außerorts oder innerorts stattfand, da sich daran orientiert, ob weitere Ausführungen zu den örtlichen Gegebenheiten zu machen sind. Bei einem innerörtlichen Verstoß darf das Gericht von Ausführungen zu der Dauer der Gelbphase und der zulässigen Höchstgeschwindigkeit absehen. Bei einem Verstoß außerorts hingegen, muss neben diesen Angaben auch die Entfernung des Betr. vom durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich angegeben werden, da der Betr. nur verurteilt werden kann, wenn er die Möglichkeit des Anhaltens vor der Lichtzeichenanlage hatte (OLG Hamm, Beschl. v. 2.11.2010 – III-4 RBs 374/10; OLG Bamberg, Beschl. v. 6.3.2014 – 3 Ss OWi 228/14; Freymann/Wellner/Wern, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2016, § 37 StVO Rn 93).

c) Gemessen hieran sind die Feststellungen des AG lückenhaft. Insbesondere sind keine Angaben zur Dauer der Gelbphase, der Geschwindigkeit des Betr. und dem Abstand seines Fahrzeuges zur Lichtzeichenanlage vorhanden. Die bloße Feststellung, dass es dem Betr. möglich gewesen wäre, die Verkehrsordnungswidrigkeit zu vermeiden, lässt sich aufgrund dieser fehlenden Information zu den weiteren Umständen der Verkehrssituation nicht durch das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfen. Zudem kann den Feststellungen des AG nicht eindeutig entnommen werden, ob der Verstoß außerorts oder innerorts stattgefunden hat, mithin also letztlich offenbleiben muss, welchen Anforderungen die Urteilsfeststellungen unterliegen.

2. Neben den Feststellungen ermöglicht auch die Beweiswürdigung nicht die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht, da sie ebenfalls lückenhaft ist.

a) Die Beweiswürdigung ist nach § 46 Abs. 1 OWiG, § 261 StPO die Aufgabe des Tatrichters und durch das Rechtsbeschwerdegericht nur eingeschränkt zu überprüfen. Die Beweiswürdigung muss sich allerdings innerhalb der Gesetze der Logik und der allgemeinen Erfahrungssätze halten und in sich widerspruchslos und lückenlos sein (KK-StPO/Ott, 8. Aufl. 2019, § 261 Rn 204; KK-OWiG/Hadamitzky a.a.O., § 79 Rn 125). Die Darstellung der Beweiswürdigung in den Urteilsgründen muss dem Rechtsbeschwerdegericht diese Überprüfung ermöglichen (statt vieler BGH, Beschl. v. 25.9.2012 – 5 StR 372/12, NStZ-RR 2012, 381).

b) Nach diesen Maßstäben weist das Urteil des AG in Bezug auf die Beweisgrundlage für die Annahme der Nettorotlichtzeit, die für einen qualifizierten Rotlichtverstoß erforderlich ist, einen weiteren Darstellungsmangel auf. Das AG stützt in nicht hinreichender Weise die Annahme eines qualifizierten Verstoßes von 1,5 s auf Lichtbilder der Akte und die Aussage des Zeugen.

c) Der bloße Hinweis auf die Inaugenscheinnahme der Lichtbilder Bl. 13 und Bl. 14 der Akte in der Hauptverhandlung ist nicht ausreichend, um die Voraussetzungen der § 46 Abs. 1 OWiG, § 267 Abs. 1 S. 3 StPO zu erfüllen. Danach ist die Bezugnahme für Abbildungen auf Bestandteile der Akte gestattet, um auf Einzelheiten und Details der Bezugsobjekte nicht weiter eingehen zu müssen. Mit de...

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