„Die Kl. hat weiter Anspruch auf Freistellung von 75 % ihrer Gutachterkosten. Denn auch diese Kosten gehören zu dem nach § 249 BGB zu ersetzenden Schaden (BGH NJW 2005, 356) und sind im Falle der Mithaftung gem. § 17 StVG anteilig zu erstatten.

Ein weiter gehender Anspruch steht der Kl. insoweit jedoch nicht zu.

Der Senat stimmt der teilweise in Rspr. und Literatur vertretenen und von der Kl. zitierten Auffassung, nach der der Schädiger auch im Falle einer quotenmäßigen Regulierung seines Schadens die vollen ihm entstandenen Gutachterkosten zur Ermittlung seines Schadens als Rechtsverfolgungskosten vom Schädiger verlangen kann (so AG Siegburg NJW 2010, 2289 f. = DAR 2010, 389 mit Anmerkung von Poppe; Hans-Ulrich Poppe, jurisPR-VerkR 12/2010 Anm. 1, Poppe, DAR 2005, 669 ff., Winnefeld, DAR 1996, 75; zustimmend Kappus, DAR 2010, 727), nicht zu. Denn diese Auffassung findet im Gesetz keine Stütze.

(1) Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu dem mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gem. § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensvorteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (BGH NJW 2005, 356; NJW-RR 1989, 953, 956). Ebenso können diese Kosten Bestandteil des nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand sein, wenn die vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (BGH NJW 2005, 356, NJW 1974, 34, 35). Unter beiden Gesichtspunkten sind diese Kosten grundsätzlich in vollem Umfang erstattungsfähig.

(2) Ist der geschädigte Fahrzeughalter in erheblicher Weise für den Schaden mitverantwortlich, so führt dies nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG allerdings zu einer Beschränkung von Grund und Umfang des Schadensersatzanspruchs. Die Bestimmung statuiert – ebenso wie die § 254 Abs. 1 BGB, § 9 StVG und § 4 HaftPflG – eine Ausnahme vom Grundsatz der Totalreparation (Alles-oder-Nichts-Prinzip des Schadensrechts). Sie hat zur Folge, dass auch der Anspruch auf Ersatz der Kosten eines Sachverständigengutachtens nur ungeschmälert fortbestehen kann, wenn sich aus “den Umständen’, insb. aus der Feststellung, “inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist’ (§ 17 Abs. 1 StVG) ein solches Ergebnis rechtfertigen lässt.

(3) Aus den “Umständen’, insbesondere den Verursachungsbeiträgen, ergibt sich eine solche Rechtfertigung nicht. Auch die Kosten des Sachverständigengutachtens sind durch den Unfall verursacht. Und wenn den Geschädigten insoweit eine Mitverantwortung trifft, so heißt das, dass er auch für die weiteren Unfallfolgen mitverantwortlich ist. Der Zurechnungs- und Verantwortungszusammenhang wird durch den Willensentschluss, der der Beauftragung des Sachverständigen zugrunde liegt, nicht unterbrochen. Denn ohne die Unfallbeteiligung des Geschädigten wäre es auch zu dieser Handlung nicht gekommen. Und dass sie ausschließlich durch den Fremdhaftungsanteil bedingt sei (so Winnefeld, DAR 1996, 74), oder allein dem zum Nachweis des vom Schädiger zu tragenden Schadensanteil eingeholt würden (so Poppe, DAR 2005, 671; in diesem Sinne auch AG Siegburg NJW 2010, 2289, 2290), lässt sich auch bei normativer Betrachtung nicht sagen. Denn die Einholung eines Sachverständigengutachtens dient selbst dann, wenn der Geschädigte es wirklich nur zur Bezifferung eines berechtigten Teilanspruches in Auftrag geben würde, zwangsläufig immer auch seinen Interessen, weil es auch ihm Gewissheit über das ganze Ausmaß des Schadens und die von ihm zu tragenden Kosten verschafft. Damit fehlt es aber an einem Umstand, der eine vom übrigen Sachschaden abweichende Aufteilung der Kosten des Sachverständigengutachtens rechtfertigen könnte.

(4) Aus der Rspr. zur Erstattungsfähigkeit vorgerichtlichen Anwaltskosten folgt auch kein Argument für den ungeschmälerten Ersatz von Sachverständigenkosten. Zwar kann der Geschädigte – auch nach der ständigen Rspr. dieses Senats (vgl. z.B. Urt. v. 16.6.2008, Az.: I – 1 U 246/07) – Ersatz der Rechtsanwaltskosten verlangen, die er zur Verfolgung seines begründeten Anspruchs aufgewandt hat (BGH NJW 2005, 1112; NJW 2008, 1888 f.). Die Rechtfertigung für diese Rspr. liegt allerdings in einer Besonderheit der Forderung selbst. Denn bei dieser Schadensposition handelt es sich um eine Nebenforderung, deren Höhe sich erst bestimmen lässt, wenn die Hauptforderung konkretisiert ist. Das ist bei den Sachverständigenkosten anders. Sie sind Bestandteil des Sachschadens und damit auch Bestandteil der Hauptforderung (BGH NJW 2007, 1752 f.). Ihre Höhe hängt nicht in gesetzlich bestimmter Weise vom Umfang des übrigen Schadens ab. Vor allem aber führen die § 17 Abs. 1 u. 2 StVG, § 254 Abs. 1 BGB auch hinsichtlich der Anwaltskosten zu einer Einschränkung des Anspruchs. Eine Berücksichtigung der Mitverantwortung erfolgt hier nur nicht durch Quotierung der Kosten, sondern durch eine Quotierung des Streitwerts, der nach dem RVG die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren ...

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