[11] Die zulässige Klage hat nur teilweise Erfolg.

[12] Die Klageanträge sind dahingehend auszulegen, dass nur die Verurteilung der Bekl. begehrt wird. Soweit auf eine gesamtschuldnerische Verurteilung angetragen worden ist, beruht dies ersichtlich (vgl. Klagerubrum) auf einem Versehen.

[13] Der Kl. hat gegen die Bekl. Aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, § 249 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. 2.675,15 EUR. Ein darüberhinausgehender Anspruch steht dem Kl. unter keinerlei rechtlichem Gesichtspunkt zu.

[14] 1. Der Anspruch besteht dem Grunde nach. Der streitgegenständliche Unfall hat sich bei dem Betrieb des klägerischen Pkw Audi A3 und des bei der Bekl. haftpflichtversicherten Pkw Opel Corsa ereignet. Höhere Gewalt i.S.v. § 7 Abs. 2 StVG lag nicht vor. Ebenso wenig ist nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme festzustellen, dass der Verkehrsunfall für einen der Fahrer der vorgenannten Fahrzeuge unabwendbar i.S.v. § 17 Abs. 3 StVG gewesen ist. Auch der Nachweis, dass der Schaden nicht durch ein Verschulden der Zeugin D. verursacht worden ist (§ 18 Abs. 1 S. 2 StVG), wurde nicht geführt. Damit hängt der Umfang der Haftung von der gem. § 17 Abs. 1 und 2 StVG vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge ab. Dabei können zu Lasten der jeweiligen Partei nur unstreitige, zugestandene oder bewiesene Umstände berücksichtigt werden.

[15] 2. Die Bekl. haftet allerdings nur für die Beschädigungen am Heck des klägerischen Pkw. Den Beweis, dass auch der Frontschaden an dem Pkw Audi A3 durch das bei der Bekl. versicherte Fahrzeug entstanden ist, hat der Kl. nicht geführt.

[16] Fest steht, dass es schon vor dem Anstoß des Pkw Opel Corsa gegen den Pkw Audi A3 einen Kontakt zwischen dem Pkw Audi A3 und dem vorausfahrenden Pkw VW Golf gegeben hat. War noch in der Klageschrift vorgetragen worden, dass ein solcher Kontakt nicht ausgeschlossen werden könne, hat der Zeuge F. in seiner Vernehmung angegeben, dass er dem Pkw VW Golf "hinten drauf gefahren" sei, wobei es einen leichten Kontakt, nicht aber einen richtigen Stoß gegeben habe.

[17] Weil feststeht, dass es einen Kontakt zwischen dem Pkw VW Golf und dem Pkw Audi A3 gegeben hat, bevor der Pkw Opel Corsa auf den Pkw Audi A3 aufgefahren ist, kann sich der Kl. nicht auf einen Anscheinsbeweis mit dem Inhalt berufen, dass auch der Frontschaden durch den Letztauffahrenden schuldhaft verursacht worden sei (vgl. OLG München, Urt. v. 12.5.2017 – 10 U 748/16, BeckRS 2017, 109598 Rn 6). Den anderweitigen Nachweis, dass der Frontschaden an dem Pkw A3 dadurch entstanden ist, dass dieser Pkw durch den Pkw Opel Corsa auf den Pkw VW Golf aufgeschoben worden, ist, hat der Kl. nicht geführt. Es lässt sich in der Gesamtschau der erhobenen Beweise nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen, dass der Frontschaden durch ein Aufschieben des Pkw Audi A3 auf den Pkw VW Golf verursacht worden ist.

[18] Maßstab für die Überzeugungsbildung ist § 287 ZPO (vgl. BGH NJW 1973, 1284). Ausgehend hiervon gilt, dass der Letztauffahrende für den gesamten Schaden – Heck und Front – des mittleren Fahrzeugs (mit)verantwortlich ist, wenn der Geschädigte Tatsachen nachweist, aus denen sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verursachung des Frontschadens durch den Hintermann ergibt, mithin ein Aufschieben deutlich wahrscheinlicher ist als die Möglichkeit, dass der Geschädigte durch sein eigenes Verhalten den Frontschaden an seinem Fahrzeug selbst verursacht hat (vgl. BGH a.a.O.; OLG Schleswig, NZV 1988, 228; OLG Düsseldorf, NZV 1995, 486; Geigel/Freymann, Haftpflichtprozess, 28. Aufl. 2020, Kap. 27 Rn 148). Ist hingegen die Verursachung des Frontschadens durch den Auffahrenden nicht weniger wahrscheinlich als die Entstehung des Frontschadens unabhängig vom Heckanstoß, kann der gegen den Auffahrenden begründete Schadensersatzanspruch betreffend den Heckanstoß im Totalschadensfall nach § 287 ZPO durch die quotenmäßige Aufteilung des Gesamtschadens, gemessen am Verhältnis der jeweiligen Reparaturkosten, ermittelt werden (vgl. BGH a.a.O.; OLG Hamm, NJW 2014, 3790).

[19] Nach der durchgeführten Beweisaufnahme kann nicht festgestellt werden, dass ein Aufschieben des Pkw Audi A3 auf den VW Golf durch den Opel Corsa deutlich wahrscheinlicher ist als eine Beschädigung des Pkw Audi A3 durch einen ersten Anstoß an den Pkw VW Golf. (wird ausgeführt)

[23] Der protokollierte Inhalt der Zeugenaussagen, auf dessen Inhalt auch nach einem Wechsel in der richterlichen Besetzung abgestellt werden kann (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 355 ZPO, Rn 4), enthält nur wenige detailreiche Schilderungen zum Unfallhergang, was angesichts der eingeschränkten Wahrnehmungsbereitschaft der beteiligten Unfallfahrer auch naheliegend ist. Die Bekundungen der Zeugen H. und D. sind im Sinne des Kl. unergiebig. Näher in den Blick zu nehmen ist die Aussage des Zeugen F., der ein chronologischer Ablauf des Unfallereignisses sowie eine Beschreibung dazu entnommen werden kann, dass ...

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