Aus den Gründen: „… Die Antragsgegnerin ist nicht eintrittspflichtig für das der Versicherungsnehmerin, RA P, vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten im Zusammenhang mit dem Betreiben des Verfahrens beim AG D. Es liegt ein Risikoausschluss i.S.v. § 4 Nr. 5 AVB der Antragsgegnerin vor, wonach sich der Versicherungsschutz nicht bezieht auf Haftpflichtansprüche wegen Schadensstiftung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Machtgebers (Berechtigten) oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung. …

Die Klausel ist auch wirksam, insbesondere im Hinblick auf § 307 Abs. 1 und 2 BGB bzw. § 9 AGBG (vgl. BGH VersR 1991, 176). Ferner ist es der Antragsgegnerin nicht verwehrt, sich gegenüber dem Antragsteller auf den Risikoausschluss zu berufen. Trotz der grundsätzlichen Bindungswirkung der Feststellungen des Haftpflichtprozesses im Hinblick auf Pflichtverletzung und Schaden ist es dem Versicherer gestattet, rein versicherungsvertragliche Einwendungen geltend zu machen (BGH VersR 2001, 1103 m.w.N.). Dies gilt insbesondere für die Frage eines etwaigen Risikoausschlusses wegen wissentlicher Pflichtverletzung.

Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 5 AVB der Antragsgegnerin liegen vor. Die Versicherungsnehmerin hat wissentlich ihre Pflichten verletzt. Richtig ist, dass § 4 Nr. 5 AVB der Antragsgegnerin direkten Vorsatz erfordert. Der Versicherungsnehmer muss die von ihm verletzte Pflicht positiv gekannt und subjektiv das Bewusstsein gehabt haben, pflichtwidrig zu handeln (BGH VersR 1959, 691; 1987, 174; 2001, 1103). Richtig ist auch, dass darlegungs- und beweispflichtig für die subjektiven Voraussetzungen der beklagte Versicherer ist (BGH VersR 1991, 176). Ob hierfür ein Anscheinsbeweis (ebenso wie im ähnlich gelagerten Fall des § 152 VVG a.F.) nicht zuzulassen ist, mag dahinstehen. Jedenfalls kann im Allgemeinen unterstellt werden, dass fundamentale, allgemein geläufige Regeln und Vorschriften von jedem Rechtsanwalt gekannt werden (vgl. hierzu die Nachweise bei Voit/Knappmann in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., Berufshaftpflichtversicherung Architekten IV Rn 30). Ferner kann ohne Weiteres im Wege des Indizienbeweises aus Art und Gewicht eines objektiven Pflichtenverstoßes auf das Maß der Vorwerfbarkeit geschlossen werden. Eine Pflichtverletzung, die schlechterdings nur vorsätzlich begangen werden kann, bedarf keiner weiteren Darlegung und keines weiteren Beweises hinsichtlich des Vorsatzes.

So liegt der Fall hier. Im Haftpflichtprozess gegen seine ehemalige Rechtsanwältin hat der Antragsteller geltend gemacht, die dortige Beklagte habe das Mandat (u.a.) insofern mangelhaft bearbeitet, als sie das Versäumnisurteil gegen den Antragsteller habe rechtskräftig werden lassen und den Antragsteller nicht über die Zustellung des Versäumnisurteils informiert habe, nachdem sie zuvor Anordnungen des Gerichts zur Vorlage wesentlicher Unterlagen ignoriert habe, weshalb dem Antragsteller ein beträchtlicher Schaden entstanden sei. Aus den Akten des Verfahrens beim AG D ergibt sich darüber hinaus zweifelsfrei, dass der ehemaligen Prozessbevollmächtigten das Versäumnisurteil zuletzt gegen Zustellungsurkunde ordnungsgemäß zugestellt wurde (nachdem sie zuvor auf Anfragen des Gerichts, ein Empfangsbekenntnis bezüglich des Versäumnisurteils zurückzusenden, nicht reagiert hatte). Das LG D und das AG D haben auf dieser Grundlage die Beklagte (jeweils durch Versäumnisurteil) zum Schadensersatz verurteilt.

Danach ist für den hier interessierenden Deckungsprozess davon auszugehen, dass die Beklagte zumindest im Hinblick auf die Behandlung des Versäumnisurteils gegen ihren Mandanten gegen elementare, jedem Rechtsanwalt bekannte Pflichten verstoßen hat. Das Unterlassen jeglicher Reaktion auf das ihr zugegangene Versäumnisurteil (also weder das Einlegen eines Einspruchs noch die unverzügliche Information an den Mandanten) verstieß in einer derart krassen und fundamentalen Weise gegen elementare Pflichten eines Rechtsanwalts, dass andere Erklärungen als direkter Vorsatz nicht denkbar sind, jedenfalls aber so weit außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegen, dass sie keiner Ausräumung im Rahmen eines Zivilprozesses bedürfen. Über die Pflicht, seinen Mandanten, über den Erlass eines Versäumnisurteils unverzüglich zu informieren, damit ein etwaiger Einspruch zumindest mit ihm besprochen wird, kann es bei einem Rechtsanwalt keinen Zweifel und keine Unsicherheit geben.

Ein nicht wissentlicher Verstoß gegen diese elementare Pflicht, den Mandanten zu informieren und drohenden Schaden von ihm abzuwenden (insbesondere, wenn man den Schaden durch vorangegangenes Fehlverhalten selbst zu verantworten hat), wäre hier nur denkbar, wenn die Rechtsanwältin ungeachtet der wirksamen Zustellung keine Kenntnis von dem Versäumnisurteil gehabt hätte. Dann aber läge eine Pflichtverletzung von vergleichbarem Gewicht und vergleichbarer Offenkundigkeit darin, dass sie sich dieser Kenntnisnahme selbst bewusst versperrt hätte, insbesondere, dass si...

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