Aus den Gründen: „Die Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg. Dem Begehren des Antragstellers auf Anordnung der kraft Gesetzes (§ 4 Abs. 7 Satz 2 StVG) ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung seiner Klage war nicht zu entsprechen, weil die angefochtene Ordnungsverfügung des Antragsgegners, mit welcher dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, offensichtlich rechtmäßig ist.

Der Antragsgegner ist beim Erlass der Ordnungsverfügung vom 10.6.2008 insbesondere zu Recht davon ausgegangen, dass sich für den Antragsteller bis zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Ordnungsverfügung mindestens 18 Punkte ergeben haben und er daher gem. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen galt. Der Antragsteller konnte nicht gem. § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG beanspruchen, dass als Folge der vorangegangenen Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 21.11.2006 die bis zur Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar verwirkten 17 Punkte gelöscht werden. Denn die vormalige Entziehung der Fahrerlaubnis beruhte auf § 4 Abs. 7 Satz 1 StVG; im Anschluss an eine solche Fahrerlaubnisentziehung findet eine Löschung der bis dahin erreichten Punkte nicht statt (§ 4 Abs. 2 Satz 4 StVG).

Dem VG kann nicht in seiner Auffassung beigetreten werden, im November 2006 hätten auch die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG (i.V.m. den §§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und 46 Abs. 1 FeV) vorgelegen und eine hierauf gestützte Fahrerlaubnisentziehung sei unter Anlegung eines objektiven Maßstabes gegenüber der Fahrerlaubnisentziehung auf der Grundlage des § 4 Abs. 7 Satz 1 StVG vorrangig gewesen. Die Ordnungsverfügung vom 21.11.2006, mit der der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis auf der Grundlage von § 4 Abs. 7 Satz 1 StVG entzogen hat, kann weder so ausgelegt noch dahin umgedeutet werden, dass die Entziehung stattdessen auf der Grundlage von § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG erfolgt ist.

Die nach der Rücknahme des Widerspruchs bestandskräftig gewordene Ordnungsverfügung vom 21.11.2006 ist keiner anderen Auslegung zugänglich, als dass der Antragsgegner damit die Fahrerlaubnis auf der Grundlage von § 4 Abs. 7 Satz 1 StVG entzogen hat. Allerdings bedarf es der Auslegung, weil sich der Tenor der Ordnungsverfügung allein auf die Entziehung der Fahrerlaubnis richtet und die Entziehung im Rahmen des Punktsystems auf verschiedenen Rechtsgrundlagen – § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG (i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV) oder § 4 Abs. 7 Satz 1 StVG – beruhen kann. Die Klärung, auf welcher rechtlichen und damit auch tatsächlichen Grundlage die Fahrerlaubnisentziehung beruht, kann nicht dahinstehen, weil sich die weiteren Rechtsfolgen der beiden Entziehungstatbestände erheblich voneinander unterscheiden. Ein Unterschied besteht nicht nur im Hinblick auf die vorliegend strittige Löschung der bis dahin erreichten Punkte (vgl. einerseits § 4 Abs. 2 Satz 3, andererseits § 4 Abs. 2 Satz 4 StVG), sondern auch im Hinblick auf die Voraussetzungen, unter denen nachfolgend eine neue Fahrerlaubnis erworben werden kann. Im Falle einer Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG gilt insoweit § 4 Abs. 10 StVG. Nach Satz 1 dieser Bestimmung darf eine neue Fahrerlaubnis frühestens sechs Monate nach der Wirksamkeit der Fahrerlaubnisentziehung erteilt werden; Satz 3 sieht vor, dass in der Regel durch die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens der Nachweis der wiedererlangten Fahreignung erbracht werden muss. Nach einer auf § 4 Abs. 7 Satz 1 StVG gestützten Fahrerlaubnisentziehung genügt es demgegenüber, wenn der Betroffene die zuvor von ihm versäumte Teilnahme an einem Aufbauseminar nachgeholt hat (§ 4 Abs. 11 Satz 1 StVG); es bedarf weder des Ablaufs einer Sperrfrist noch der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (§ 4 Abs. 11 Satz 3 StVG). In einem solchen Fall ist es geboten, zur Auslegung der getroffenen Regelung auf die Begründung des Verwaltungsakts zurückzugreifen. (vgl. U. Stelkens, in: P. Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 7. Aufl., § 35 Rn 142; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 10. Aufl., § 43 Rn 15).

Danach hat der Antragsgegner die Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 7 Satz 1 StVG entzogen. Eine andere Auslegung ist nicht dadurch eröffnet, dass der Antragsgegner dem Antragsteller wegen zwischenzeitlich begangener bzw. bekannt gewordener weiterer Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr vor der Wiedererteilung der nach § 4 Abs. 7 Satz 1 StVG entzogenen Fahrerlaubnis über die Nachholung des Aufbauseminars hinaus auch eine medizinisch-psychologische Begutachtung abverlangt hat. Dies wäre in der Tat nur dann möglich bzw. geboten gewesen, wenn die Fahrerlaubnisentziehung vom 21.11.2006 auf § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG gestützt gewesen wäre. Die Ordnungsverfügung vom 21.11.2006 war aber mit der Rücknahme des Widerspruchs durch den Antragsteller bestandskräftig...

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