Der Sachverhalt, der dem VG Berlin[4] zugrunde lag, ist folgender:

Die Person war seit dem 7.6.1995 Inhaber einer Fahrerlaubnis (FE) der Klasse 3, später der Klassen AM, A1, A, B, C1, BE, C1E, CE und L. Im Juli 2021 teilte die Polizei Berlin dem Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin (im Folgenden: LABO) mit, dass gegen den Kläger seit Juli 2020 ca. 174 Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren geführt wurden. Die beigefügten Datensatzauszüge wiesen 159 Parkverstöße und 15 Geschwindigkeitsüberschreitungen aus. Vornehmlich handelte es sich nach der Mitteilung um Parkverstöße im absoluten Halteverbot. Die angegebenen Zuwiderhandlungen wurden mit Fahrzeugen des Klägers ganz überwiegend im unmittelbaren Umfeld seiner Wohnanschrift begangen. Aufgrund der Vielzahl der Verstöße wurde der Person die Fahrerlaubnis entzogen, ihre Klage blieb erfolglos. (Auszüge sind vom Verfasser zusammengefasst): Rechtsgrundlage für den Entzug der Fahrerlaubnis ist § 3 StVG i.V.m. den §§ 11, 46 FeV. Erweist sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, ist ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen. Die im Zeitraum von Juli 2020 bis Juli 2021 mindestens 174 Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren begründen die Feststellung der fehlenden Eignung. Wörtlich stellt das Gericht fest: "Zwar haben die durch die Nichterfassung im Verkehrszentralregister dem Bagatellbereich zuzurechnenden Verkehrsordnungswidrigkeiten grundsätzlich bei der Prüfung der Fahreignung außer Betracht zu bleiben (vgl. BVerwG VII C 12.71, Beck-Online). Davon ist jedoch dann eine Ausnahme zu machen, wenn der Inhaber der Fahrerlaubnis die Rechtsordnung über den ruhenden Verkehr nicht anerkennt; so ist ein Kraftfahrer, der offensichtlich nicht willens ist, auch bloße Ordnungsvorschriften, die im Interesse eines geordneten, leichten und ungefährdeten Verkehrs geschaffen sind, einzuhalten, und der solche Vorschriften hartnäckig missachtet, wenn dies seinen persönlichen Interessen entspricht, zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet (OVG Berlin-Brandenburg, OVG 5 S 26.07, juris; OVG Lüneburg, 12 M 4307/99, Beck-Online). Dabei kommt ein solcher Ausnahmefall jedenfalls dann in Betracht, wenn über einen längeren Betrachtungszeitraum nahezu wöchentlich Verstöße dokumentiert werden. Besonderes Gewicht gewinnen diese Verstöße, wenn sie an einem bestimmten Ort gehäuft auftreten und der Fahrerlaubnisinhaber damit zu erkennen gibt, dass er seine persönlichen Interessen über das Allgemeinwohl stellt. … So verhielt es sich hier, zumal für den Zeitraum Juli 2020 bis Juli 2021 im Schnitt mehr als drei Verstöße pro Woche zu verzeichnen waren. Der Kläger lässt mit den mehr als 150 Parkverstößen binnen eines Jahres keinen Zweifel daran, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Durch dieses Verhalten dokumentierte er eine krasse Missachtung der Rechtsordnung des ruhenden Verkehrs. … Besonderes Gewicht gewinnen diese Verstöße, da sie vornehmlich im direkten Umfeld der Wohnung des Klägers stattgefunden haben. … Auch sein Verweis auf die mögliche Täterschaft seiner Familienangehörigen ändert nichts an dieser Bewertung. … Auch im Fall einer Täterschaft seiner Familienangehörigen wäre der Kläger zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet. Derjenige, der durch zahlreiche ihm zugehende Bußgeldbescheide erfährt, dass Personen, die sein Fahrzeug benutzen, laufend gegen Verkehrsvorschriften verstoßen, und der dagegen nichts unternimmt, … zeigt charakterliche Mängel, die ihn selbst als einen ungeeigneten Verkehrsteilnehmer ausweisen (BVerwG, Urt. v. 17.12.1976 – BVerwG VII C 57.75 – juris, Rn 34). Dies gilt auch für mit Verwarngeldern belegtes Verhalten." … Im Ausgangsfall wurde wohl auch keine MPU mehr angeordnet und man ist ohne Untersuchung von einer Ungeeignetheit ausgegangen.

[4] VG Berlin, Urt. v. 28.10.2022 – VG 4 K 456/21

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