VVG § 7; AKB 2008 A 2.17.1

Der Versicherer handelt nicht treuwidrig, wenn er sich erst im Deckungsprozess auf die vorherige Durchführung eines Sachverständigenverfahrens beruft.

AG Düsseldorf, Urt. v. 4.1.2010 – 231 C 11625/09

Der Kläger unterhält für seinen Wohnwagen eine Kaskoversicherung bei der Beklagten. Das Fahrzeug ist am 20.5.2009 gestohlen worden. Die Beklagte rechnete auf Grundlage eines Gutachtens des hauseigenen Sachverständigen eine Entschädigung zu Gunsten des Klägers in Höhe von 11.194,54 EUR (Wiederbeschaffungswert netto laut Gutachten abzüglich einer Selbstbeteiligung von 150 EUR) ab. Der Kläger verlangt die Differenz zum Neupreis. Die Beklagte hat sich mit der Verteidigungsanzeige auf die fehlende Entscheidung eines Sachverständigenausschusses gem. A.2.18.1 AKB berufen. Der Kläger behauptet, ihm hätten bei Abschluss des Vertrags die AKB nicht vorgelegen.

Aus den Gründen:

“… Die zulässige Klage ist zurzeit unbegründet.

Ein etwaiger Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung einer weiteren Kaskoentschädigung nach den A 2.6.1 AKB ist nicht fällig. Mit ihrer Berufung auf die fehlende Entscheidung des Sachverständigenausschusses hat die Beklagte zu Recht die Fälligkeit des Zahlungsanspruches bestritten. Die Höhe der Entschädigung ist nicht festgestellt i.S.d. A 2.18.1 AKB, weil die Parteien das für Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Schadens einschließlich der Feststellung des Wiederbeschaffungswertes vertraglich vereinbarte Sachverständigenverfahren nach A 2.18.1. AKB nicht durchgeführt haben.

Die streitgegenständlichen AKB sind vorliegend wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Ausweislich des Antragsformulars vom 7.4.2008 hat der Kläger mit einer gesonderten Unterschrift am Ende des Antrags bestätigt, dass ihm die allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung bei Antragsunterzeichnung vorgelegen haben. Das diesbezüglich pauschale Bestreiten der Aushändigung der AKB ist daher unbeachtlich … Letztlich kann dies auch dahinstehen, denn gem. § 5 a) Abs. 1 VVG sind die Versicherungsbedingungen auch dann wirksam in den Versicherungsvertrag ohne Übergabe der Versicherungsbedingungen einbezogen, soweit der Versicherungsnehmer nach Überlassung der Unterlagen nicht innerhalb von 14 Tagen in Textform widerspricht. Unabhängig von der Frage, ob vorliegend eine wirksame Widerrufsbelehrung gem. § 5 a) Abs. 2 VVG vorlag, hat der Kläger den Vertrag jedenfalls zu keinem späteren Zeitpunkt widerrufen. Nach alledem sind die AKB wirksam in den streitgegenständlichen Vertrag einbezogen worden.

Die Beklagte ist auch aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gem. § 242 BGB nicht an der Erhebung des Einwands des fehlenden Sachverständigenverfahrens gehindert. Ein treuwidriges Verhalten der Beklagten liegt nicht vor. Hat der Versicherer nach Abschluss der Regulierungsverhandlungen einen nach seinem Dafürhalten angemessenen Entschädigungsbetrag gezahlt, so ist er nach Treu und Glauben nicht gehindert, sich im anschließenden Deckungsprozess wegen einer Mehrforderung des Versicherungsnehmers auf mangelnde Fälligkeit wegen Nichtdurchführung des Sachverständigenverfahrens zu berufen (OLG Köln RuS 1996, 14; OLG Hamburg VersR 2009, 1485 ff.). Dabei ist der Versicherungsnehmer nicht gehindert, den Einwand des fehlenden Sachverständigenverfahrens erst im Deckungsprozess zu erheben ( … ). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Versicherer die Regulierung schon dem Grunde nach endgültig abgelehnt hat (OLG Frankfurt VersR 1990, 1384) oder den Versicherungsnehmer seinerseits auf den Klageweg verwiesen hat (OLG Köln RuS 2002, 188 ff.). Auch dies ist vorliegend nicht der Fall; insbesondere hat die Beklagte ihre grundsätzliche Einstandspflicht nicht infrage gestellt. Die Parteien können zwar auch konkludent auf die Durchführung des Sachverständigenverfahrens verzichten. An die Annahme eines Verzichts sind indes hohe Anforderungen zu stellen. Ein solcher Verzicht liegt noch nicht vor, wenn der Versicherer vor Einleitung des Sachverständigenverfahrens ein Gutachten einholt, um einen Entschädigungsvorschlag vorzubereiten (OLG Köln RuS 2002, 188 ff.). Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Beklagte vorliegend weder auf die Durchführung des Sachverständigenverfahrens konkludent verzichtet, noch ist ihre Berufung auf die mangelnde Fälligkeit erst im Prozess treuwidrig. Denn sie hat lediglich einseitig ohne Einvernehmen mit dem Kläger ein hauseigenes Sachverständigengutachten eingeholt, um den ihrer Meinung nach angemessenen Wiederbeschaffungswert zu ermitteln. Durch die Einholung dieses Gutachtens verfolgte die Beklagte – auch aus der Sicht des Klägers – allein das Ziel, ihre eigene Position im Streit um den angemessenen Entschädigungswert zu untermauern. Diesem Verhalten der Beklagten kann nicht der Erklärungswert beigemessen werden, sie wolle auf die Durchführung des Sachverständigenverfahrens verzichten. Das ergibt sich insbesondere, wenn man Sinn und Zweck des Sachverständigenverfahrens berücksichtigt (vgl. OLG Köln ...

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