“ … [5] a) Die Rechtsbeschwerde beanstandet zu Recht, dass das Beschwerdegericht die durch den vorprozessualen Versuch einer Anspruchsabwehr entstandene Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG als festsetzungsfähig angesehen hat. Denn ebenso wie die Aufwendungen für ein anwaltliches Mahnschreiben nicht zu den Prozesskosten gehören, können die vorprozessual zur Anspruchsabwehr angefallenen Gebühren nicht im Rahmen einer Kostenerstattung nach § 91 ZPO angesetzt werden und somit nicht Gegenstand einer Kostenfestsetzung nach §§ 103 ff. ZPO sein (vgl. BGH, Beschl. v. 27.4.2006, NJW 2006, 2560 f.).

[6] b) Die Rüge der Rechtsbeschwerde greift weiter durch, soweit das Beschwerdegericht die angemeldete Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG ohne Anwendung der Anrechnungsvorschrift gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG ungekürzt in Ansatz gebracht hat. Diese Vorschrift ist nach der Rspr. des Senats (Urt. v. 7.3.2007, NJW 2007, 2049, unter II 2a; Urt. v. 14.3.2007, NJW 2007, 2050, unter II 2d; Versäumnisurteil vom 11.7.2007, NJW 2007, 3500, unter II 2) so zu verstehen, dass eine entstandene Geschäftsgebühr unter der Voraussetzung, dass es sich um denselben Gegenstand handelt, teilweise auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist. Durch diese Anrechnung verringert sich die erst später nach Nr. 3100 VV RVG angefallene Verfahrensgebühr, während die zuvor bereits entstandene Geschäftsgebühr von der Anrechnung unangetastet bleibt. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut der genannten Anrechnungsvorschrift erfolgt die Anrechnung auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens und nicht umgekehrt, sodass sich nicht die vorgerichtliche Geschäftsgebühr, sondern die im gerichtlichen Verfahren angefallene Verfahrensgebühr im Umfang der Anrechnung reduziert.

[7] Der Senat hält an dieser Sichtweise, die in erster Linie auf den klaren Wortlaut der Anrechnungsbestimmung gestützt ist, trotz der namentlich in der Instanzrechtsprechung (z.B. KG AGS 2007, 439; OLG München Rpfleger 2007, 686; OLG Karlsruhe AGS 2007, 494; OLG Koblenz AnwBl 2007, 873; OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.10.2007 – 8 W 442/07; wie der Senat etwa VGH München NJW 2006, 1990; OLG Hamburg MDR 2007, 1224) geäußerten Kritik, fest.

[8] aa) Die teilweise vertretene Auffassung, der Gesetzgeber habe bei der Anrechnungsbestimmung gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG an der unter der Geltung des § 118 Abs. 2 S. 1 BRAGO entwickelten Praxis nichts ändern wollen, wonach die schon dort vorgeschriebene Anrechnung der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr auf die im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren angefallene Prozess- oder Verkehrsgebühr bei der späteren Kostenfestsetzung nicht zu berücksichtigen sei (vgl. OLG München, a.a.O.), wird durch die Gesetzesbegründung zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (BT-Drucks 15/1971, 209) nicht gestützt. Aus den dort wiedergegebenen Erwägungen geht nicht hervor, dass der Gesetzgeber sich überhaupt mit diesen im rechnerischen Ergebnis ohnehin als wenig bedeutsam angesehenen Praxisdetails befasst hat oder gar eine Festsetzungspraxis hat bestätigen wollen, die am Gesetzeswortlaut vorbei von der hierin vorgesehenen Anrechnung Abstand genommen hatte. Das Anrechnungserfordernis ist vielmehr nur vor dem Hintergrund der neu vorgesehenen Teilanrechnung erörtert worden, und zwar in dem Sinne, dass der Umfang derjenigen Tätigkeit, den die in Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG umschriebene Verfahrensgebühr abdecken sollte, entscheidend davon beeinflusst werde, ob der Rechtsanwalt durch eine vorgerichtliche Tätigkeit bereits mit der Angelegenheit befasst gewesen sei. Denn eine Gleichbehandlung des Rechtsanwalts, der unmittelbar einen Prozessauftrag erhalte, mit dem Rechtsanwalt, der zunächst außergerichtlich tätig gewesen sei, sei nicht zu rechtfertigen, wobei in diesem Zusammenhang u.a. noch das Bestreben nach einer aufwandsbezogenen Vergütung hervorgehoben worden ist. Der Gesetzgeber hat also mit Blick auf einen erfahrungsgemäß geringeren Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwand des schon vorprozessual mit der Sache befassten und hierfür nach Nrn. 2400 ff. VV RVG vergüteten Prozessbevollmächtigten dessen gerichtliche Verfahrensgebühr bereits in ihrer Entstehung um den in Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG beschriebenen Teil der vorprozessual verdienten Gebühren kürzen wollen.

[9] Erst recht ist kein Grund ersichtlich, eine unter der Geltung von § 118 Abs. 2 S. 1 BRAGO nicht selten gegen den klaren Gesetzeswortlaut praktizierte Anrechnung der Prozess- auf die Geschäftsgebühr in die Anwendung der Anrechnungsklausel gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG fortzuschreiben und zu diesem Zweck den unzweideutig in umgekehrte Richtung gehenden Gesetzeswortlaut als auslegungsfähig und auslegungsbedürftig anzusehen (so aber OVG Münster NJW 2006,1991, 1992). Ebenso wenig besteht nach den im Gesetzgebungsverfahren anzutreffenden Äußerungen Anlass, von einem korrekturbedürftigen Redaktionsversehen des Gesetzgebers bei Abfassung der genannten Anrechnungsbestimmung auszu...

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