"… a) Der Kl. kann aus dem – unstreitigen – Umstand, dass im streitgegenständlichen Fahrzeug eine temperaturgesteuerte Abgasrückführung (sog. “Thermofenster') eingebaut ist, keine Ansprüche aus § 826 BGB ableiten, wie die Kammer bereits mehrfach in Anlehnung an die überwiegende Auffassung in der obergerichtlichen Rspr. entschieden hat (vgl. bereits Kammerurt. v. 29.11.2019 – 12 O 76/19)."

aa) Bei der Verwendung eines sog. “Thermofensters' kommt der Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens und die Annahme eines Schädigungsvorsatzes auf Seiten des Fahrzeugherstellers nur in Betracht, wenn über die bloße Kenntnis von dem Einbau einer Einrichtung mit der in Rede stehenden Funktionsweise in den streitgegenständlichen Motor hinaus zugleich auch Anhaltspunkte dafür erkennbar wären, dass dies von Seiten des Herstellers in dem Bewusstsein geschah, hiermit möglicherweise gegen die gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen, und dieser Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen wurde (vgl. OLG Stuttgart, WM 2019, 1704 mit Verweis auf OLG Köln, Beschl. v. 4.7.2019 – 3 U 148/18, juris; OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.1.2020 – 17 U 107/19, juris). Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden (vgl. OLG Stuttgart, WM 2019, 1704 m.w.N. zur erstinstanzgerichtlichen Rspr.; OLG Köln, Beschl. v. 4.7.2019 – 3 U 148/18, juris; OLG Celle, Urt. v. 18.12.2019 – 7 U 511/18, juris und v. 29.1.2020 – 7 U 575/18, juris; OLG Brandenburg. Urt. v. 19.12.2019 – 5 U 103/18, juris; OLG München, Urt. v. 20.1.2020 – 21 U 5072/19, juris und Beschl. v. 10.2.2020 – 3 U 7524/19, juris; Schleswig-Holsteinisches OLG, zfs 2019, 674).

bb) Hierfür sind folgende, in den vorstehend zitierten Urteilen eingehend ausgeführten Erwägungen entscheidend: Die Gesetzeslage war und ist bis heute im Hinblick auf die Zulässigkeit der sog. “Thermofenster' weder unzweifelhaft noch eindeutig. Das folgt nicht nur aus dem Umstand, dass in Rspr. und Lit. die Zulässigkeit kontrovers und mit einem erheblichen Begründungsaufwand diskutiert wurde und wird, ohne dass bislang eine höchstrichterliche Klärung stattgefunden hat (vgl. etwa LG Stuttgart, Urt. v. 3.5.2019 – 22 O 238/18, BeckRS 2019, 11522 einerseits und LG Stuttgart, Urt. v. 9.5.2019 – 23 O 220/18 und v. 25.7.2019 – 30 O 34/19, juris andererseits sowie die Nachweise bei OLG Stuttgart a.a.O.; OLG Koblenz, Urt. v. 10.2.2020 – 12 U 1039/19, Revision anhängig unter VI ZR 314/20). Auch dass sich das KBA und das Bundesverkehrsministerium in der Vergangenheit nicht von der grundsätzlichen Unzulässigkeit der sog. “Thermofenster' haben überzeugen können und ein flächendeckender Rückruf bis heute nicht angeordnet ist, belegt diese Einschätzung (vgl. OLG Celle, Urt. v. 18.12.2019 – 7 U 511/18, juris und v. 29.1.2020 – 7 U 575/18, juris; OLG Frankfurt, Urt. v. 13.11.2019 – 13 U 274/18, juris für das Software-Update im EA 189-Motor). Dabei ist die vom Bundesverkehrsministerium eingesetzte Untersuchungskommission in ihrem Bericht zur Auslegung der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 S. 2 a der EG-Verordnung Nr. 715/2007 selbst davon ausgegangen, dass die von den Fahrzeugherstellern herangeführte weite Interpretation der Regelung möglicherweise europarechtskonform ist (BMVI Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen, Stand April 2016, S. 123). Eine Auslegung, wonach ein sog. “Thermofenster' eine zulässige Abschalteinrichtung darstellt, ist danach jedenfalls nicht unvertretbar mit der Folge, dass das Handeln der Zweitbeklagten weder als besonders verwerflich noch als vorsätzlich angesehen werden kann (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.; OLG Köln, Beschl. v. 4.7.2019 – 3 U 148/18, juris; OLG Brandenburg, Urt. v. 19.12.2019 – 5 U 103/18; OLG Celle, Urt. v. 18.12.2019 – 7 U 511/18, juris; OLG Frankfurt, Urt. v. 13.11.2019 – 13 U 274/18, juris; Schleswig-Holsteinisches OLG, zfs 2019, 674). Dass sich ggf. im Nachhinein die Unzulässigkeit sog. “Thermofenster' erweisen könnte, ändert hieran nichts. Denn für die Feststellung der Sittenwidrigkeit ebenso wie des Schädigungsvorsatzes im Rahmen von § 826 BGB ist nicht der heutige Meinungsstand oder die heutige Rspr. einzelner Spruchkörper der Gerichte, sondern der Zeitpunkt des Inverkehrbringens des konkreten Fahrzeugs durch den Hersteller maßgeblich (vgl. OLG Stuttgart, WM 2019, 1704). (…)

bb) Auf der Grundlage dieser Feststellungen bestehen bereits durchgreifende Zweifel daran, ob in dem streitgegenständlichen Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen zum Einsatz kommen. Denn das KBA weist ausdrücklich darauf hin, dass freiwillige Maßnahmen der Hersteller – wie hier der Fall – nur bei Fahrzeugen durchgeführt werden, bei deren amtlicher Untersuchung keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt wurden und auch bei der Überprüfung der freiwilligen Software-Updates das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgeschlossen worden ist. Dass sich diese Aussagen ausdrücklich auch auf den hier streitgegenständlichen Motor beziehen, ist für die Kammer durch die eingehenden Erläuterungen des KBA zur Überprü...

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