StPO § 147 § 304 § 305

Leitsatz

1. Anfechtbar mit der Beschwerde sind Entscheidungen des Gerichts, bei denen die Beschwer des Betr. durch Anfechtung des Urteils nicht mehr beseitigt werden kann. Zur Vermeidung eines später nicht mehr zu beseitigenden rechtswidrigen Zustands ist dem Betr. daher bei Versagung der Akteneinsicht vor Durchführung der Hauptverhandlung die Überprüfung im Wege des Beschwerdeverfahrens zu ermöglichen, zumal es sich bei dem Antrag auf Herausgabe der Messdaten etc. nicht um einen – nicht der Beschwerde – zugänglichen Beweisantrag handelt. Die Entscheidung über die Akteneinsicht steht insoweit nicht in einem inneren Zusammenhang mit dem späteren Urteil. Die Rechtsmäßigkeit wird nämlich weder bei der Urteilsfällung überprüft, noch wäre eine zuvor getroffene Entscheidung ggf. korrigierbar.

2. Dass das AG über einen Antrag nicht durch Beschluss entschieden, sondern seine Ablehnung durch eine formlose Mitteilung bekanntgegeben hat, steht der Möglichkeit zur Einlegung einer Beschwerde nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 304 ff. StPO nicht entgegen.

LG Hanau, Beschl. v. 7.1.2019 – 4b Qs 114/18

Sachverhalt

Das AG hat den Antrag des Betr. auf Beweismittelvervollständigung vom 5.1.2018 mit einem Schreiben vom 5.12.2018 an den Verteidiger mit folgendem Wortlaut "in pp. wird darauf hingewiesen, dass mögliche Beweisanträge im Termin zur Hauptverhandlung beschieden werden" zurückgewiesen. Bei diesem Schreiben handelte es sich entgegen der Auffassung des AG nicht lediglich um eine prozessleitende Verfügung auf die Posteingänge des Verteidigers sondern inhaltlich auch um die Zurückweisung des Antrags des Betr. auf Überlassung der genannten Messdaten und Messunterlagen. Bestätigt wird diese Auffassung durch die Verfügung des AG vom 16.12.2018, womit das Gericht dem Verteidiger mitteilt, dass es nicht beabsichtige, die vom Betr. beantragten Unterlagen beizuziehen.

Gegen die vorgenannte Entscheidung wendet sich der Betr. mit seiner Beschwerde. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Das LG Hanau hat die Entscheidung des AG aufgehoben und das Regierungspräsidium Kassel, Bußgeldstelle, angewiesen, dem Verteidiger folgende Daten auf einem von ihm bereitgestellten Speichermedium zur Verfügung zu stellen:

Den digitalen Falldatensatz des Betr. mit Bildern und erkennbaren Bildrändern, inklusive Rohmessdaten, die vollständigen Falldatensätze der gesamten Messreihe, die Token-Datei, das Passwort, die vollständige Statistikdatei sowie – soweit vorhanden – die Geräteakte/Gerätestammakte zum Messgerät.

2 Aus den Gründen:

"… Die Beschwerde des Betr. ist zulässig."

Dass das AG über den Antrag nicht durch Beschluss entschieden, sondern seine Ablehnung durch eine formlose Mitteilung bekanntgegeben hat, steht der Möglichkeit zur Einlegung einer Beschwerde nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 304 ff. StPO nicht entgegen (vgl. hierzu Gercke/Julius, StPO, 6. Aufl. Rdz. 8 f).

Der Zulässigkeit der Beschwerde steht auch § 305 S. 1 StPO nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift unterliegen Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen nicht der Beschwerde.

Entsprechend dem Zweck der Bestimmung, Verfahrensverzögerungen zu verhindern, die eintreten würden, wenn Entscheidungen der erkennenden Gerichte sowohl auf eine Beschwerde als auch auf das Rechtmittel gegen das Urteil überprüft werden müssten, gilt dieser Ausschluss nur für Entscheidungen, die im inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung stehen, ausschließlich ihrer Vorbereitung dienen, bei der Urteilsfindung selbst der nochmaligen Prüfung des Gerichts unterliegen und keine weiteren Verfahrenswirkungen äußern (vgl. Meyer/Goßner, § 305 Rd.Ziff. 1 m.w.N.).

Anfechtbar mit der Beschwerde sind hingegen Entscheidungen, bei denen die Beschwer des Betr. durch Anfechtung des Urteils nicht mehr beseitigt werden kann.

Ob die Nichtherausgabe von Messdaten, Lebensakten u.Ä. nach Verurteilung des Betr. in einem Rechtsbeschwerdeverfahren überprüft werden kann, ist derzeit in der Rechtsprechung umstritten. So hat das OLG Bamberg mit Beschl. v. 4.4.2016 (3 Ss OWi 1444/15) ausgeführt, dass die Ablehnung eines Antrags der Verteidigung auf Einsichtnahme in die Messdateien nicht gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens verstößt, wenn sich der Tatrichter aufgrund der Beweisaufnahme der Hauptverhandlung davon überzeugt hat, dass die Voraussetzung eines sogenannten standardisierten Messverfahrens im Sinne der Rechtsprechung des BGH eingehalten wurden.

Das OLG Frankfurt hat in seiner Entscheidung vom 26.8.2016 (2 Ss OWi 589/16) den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde verworfen, weil eine Nachprüfung der Entscheidung weder zur Fortbildung des sachlichen Rechts noch wegen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs geboten sei.

Zur Vermeidung eines später nicht mehr zu beseitigenden rechtswidrigen Zustandes ist dem Betr. daher die Überprüfung im Wege des Beschwerdeverfahrens zu ermöglichen, zumal es sich bei dem Antrag auf Herausgabe der Messdaten etc. nicht um einen – nicht der Beschwerde – zugänglichen Beweisantrag handelt, so...

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