VVG § 19 Abs. 5 S. 1

1. Die von § 19 Abs. 5 S. 1 VVG (2008) geforderte Belehrung muss nicht auf einem gesonderten Blatt erfolgen.

2. Sie muss inhaltlich sowohl die nach dem Grad des Verschuldens bestehenden Lösungsrechte als auch ihre für den Versicherungsnehmer nachteiligen Rechtsfolgen darstellen.

(Leitsätze der Schriftleitung)

LG Dortmund, Urt. v. 17.12.2009 – 2 O 399/09

Die Klägerin hat unter dem 10.9.2008 bei der Beklagten den Abschluss einer Krankenversicherung beantragt. Die Gesundheitsfragen sind mit "Nein" beantwortet. Unter dem 15.9.2008 nahm die Beklagte den Antrag an.

Als die Klägerin wegen ärztlicher Behandlung Leistungen aus der Krankenversicherung beanspruchte, brachte die Beklagte in Erfahrung, dass die Klägerin bereits vor Antragstellung einen Arzt aufgesucht hatte. Sie trat deshalb mit Schreiben vom 4.6.2009 vom Vertrag zurück mit der Begründung, dass die Klägerin bereits vor Antragstellung wegen einer COPD (chronische Lungenerkrankung) und einer Belastungsdyspnoe ärztlich behandelt worden war. Vorsorglich erklärte sie die Kündigung des Vertrages. Die Klägerin verlangt die Feststellung seines Fortbestehens.

Aus den Gründen:

“… Die Klage ist begründet.

Das Feststellungsbegehren der Klägerin hat Erfolg, weil sich die Beklagte auf den ausgesprochenen Rücktritt vom Vertrag und dessen Kündigung nicht berufen kann, selbst wenn eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht durch die Klägerin vorgelegen haben sollte …

II. Es kann dahinstehen, ob Rücktritts- und (hilfsweise) Kündigungserklärung der Beklagten berechtigt waren, weil die Klägerin bei Beantwortung der Gesundheitsfragen im Antrag vom 10.9.2008 ihre vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt hat. Zweifel daran bestehen deswegen, weil die Klägerin bestreitet, unter einer chronischen Lungenerkrankung gelitten zu haben und behauptet, dass sie die einmalige ärztliche Konsultation im abgefragten Zeitraum dem Versicherungsvertreter mitgeteilt habe. Danach hätte sie nach der Auge-Ohr-Rspr. des BGH, die ihren gesetzlichen Niederschlag in § 70 S. 1 VVG gefunden hat, ihre vorvertragliche Anzeigepflicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Klägerin nicht gehalten, diese ihre Behauptung zu beweisen. Da sich die Beklagte auf eine Anzeigepflichtverletzung beruft, obliegt ihr der Beweis, dass die Klägerin eine solche Obliegenheitsverletzung begangen hat, § 69 Abs. 3 S. 2 VVG. Obwohl das Gericht die Beklagte ausdrücklich durch Verfügung vom 26.10.2009 auf diese Vorschrift hingewiesen hat, durch die die vom BGH im Rahmen der Auge-Ohr-Rspr. vorgenommene Beweislastverteilung (vgl. nur BGH VersR 2009, 529) kodifiziert worden ist, hat die Beklagte sich auf ein schlichtes Bestreiten der Behauptung der Klägerin beschränkt, ohne ihrerseits Beweis für die Unrichtigkeit dieser Behauptung und damit eine Obliegenheitsverletzung der Klägerin anzutreten.

III. Unabhängig von einer möglichen Berechtigung für Rücktritt und Kündigung des Krankenversicherungsvertrages stehen der Beklagten diese Rechte deswegen nicht zu, weil sie die Klägerin nicht durch gesonderte Mitteilung in zutreffender Art und Weise auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat, § 19 Abs. 5 S. 1 VVG.

Der im Antragsformular enthaltene Hinweis auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung entspricht weder in formeller noch in materieller Hinsicht den Erfordernissen des Gesetzes.

Der Versicherungsantrag vom 10.9.2006 besteht aus insgesamt sechs Seiten. Auf der ersten Seite befinden sich Angaben zur versicherten Person und zum versicherten Tarif. Seite 2 des Antrages enthält in der ersten Hälfte Erklärungen des Antragstellers für die zu versichernde Person und in der zweiten Hälfte die ersten Gesundheitsfragen. Diese setzen sich auf der gesamten dritten Seite des Antrages fort.

Die vierte Seite des Antrages beginnt mit dem fett gedruckten ‘Hinweis auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung’. Darunter befindet sich im Normaldruck und auch in sonst verwendeter Schriftgröße und Darstellungsform folgender Text des Hinweises:

‘Die von Ihnen in diesem Antrag verlangten Angaben sind für den Vertragsschluss erheblich; ihre Angaben müssen daher wahrheitsgemäß und vollständig sein. Wenn Sie diese Anzeigepflicht verletzen, kann der Versicherer unter den Voraussetzungen des Versicherungsvertragsgesetzes abgestuft nach dem Grad ihres Verschuldens den Vertrag anpassen, den Vertrag unter Einhaltung einer Monatsfrist kündigen oder vom Vertrag zurücktreten. Im letzteren Fall verlieren sie mit sofortiger Wirkung ihren Versicherungsschutz; ist bereits ein Versicherungsfall eingetreten, ist der Versicherer nur dann zur Leistung verpflichtet, wenn die Anzeigepflichtverletzung weder arglistig erfolgt ist noch einen Umstand betrifft, der für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles oder für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich ist. Lassen sie sich bei Abschluss des Vertrages durch eine andere Person vertreten, werden sowohl ihre eigene Kenntnis und Arglist a...

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