Für Maßnahmen nach dem Mehrfachtäter-Punktesystem des § 4 StVG sind die in das Verkehrszentralregister einzutragenden Zuwiderhandlungen entsprechend Anlage 13 zu § 48 der Fahrerlaubnis-Verordnung mit Punkten zu bewerten und zu berücksichtigen. Es dürfen nur die Zuwiderhandlungen verwertet werden, die dem Betroffenen noch vorgehalten werden dürfen (§ 29 Abs. 8 Satz 1 StVG). Damit sind für die Verwertbarkeit die Vorschriften über die Tilgung der Eintragungen in das Verkehrszentralregister zu beachten.

Die Berechnung der Tilgungsfristen bereitet in der Praxis allen Beteiligten immer wieder Probleme. Die Anlauf- und die Ablaufhemmung bergen erhebliche Fehlerquellen.

a) Unterschiedlicher Anlauf der Tilgungsfrist für Straftaten und Ordnungswidrigkeiten

Während bei strafgerichtlichen Entscheidungen die Tilgungsfrist mit dem Tag der Entscheidung beginnt (§ 29 Abs. 4 Nrn. 1 und 2 StVG), beginnt die Tilgungsfrist bei gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Bußgeldentscheidungen erst mit Rechtskraft der Entscheidung (§ 29 Abs. 4 Nr. 3 StVG). Grund dafür ist, dass nach § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG nur rechtskräftige Bußgeldentscheidungen in das Verkehrszentralregister eingetragen werden. Da die Tilgungsfrist für Ordnungswidrigkeiten nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 StVG) nur zwei Jahre beträgt, würden bei längerer Verfahrensdauer solche Eintragungen nur kurz im Verkehrszentralregister stehen; zudem würde dadurch ein Anreiz für Rechtsmittel gegen Bußgeldentscheidungen geschaffen. Dem wollte der Gesetzgeber entgegentreten.:[25] Diese sicherlich gerechtfertigte Differenzierung erleichtert den Vollzug nicht, da nach Art der Sanktion genau unterschieden werden muss.

b) Anlaufhemmung

Die Tilgungsfrist beginnt nach § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG erst mit der Erteilung oder Neuerteilung der Fahrerlaubnis, spätestens jedoch fünf Jahre nach der beschwerenden Entscheidung oder dem Tag des Zugangs der Verzichtserklärung bei der zuständigen Behörde zu laufen. Denn derjenige, der nicht am Straßenverkehr teilnimmt, kann sich nicht bewähren; daher ist es nicht gerechtfertigt, die Tilgungsfrist anlaufen zu lassen. Die Fünfjahresfrist ist dem Verhältnismäßigkeitsprinzip geschuldet.

c) Tilgungshemmung

aa) Besonders kompliziert ist die Beachtung der Vorschriften über die Tilgungshemmung. Die Grundregel in § 29 Abs. 6 Satz 1 StVG besagt, dass erst dann, wenn für alle Eintragungen Tilgungsreife besteht, auch frühere Eintragungen getilgt werden dürfen. Verständlicher ausgedrückt besagt das, dass erst die Tilgungsfrist der jüngsten Eintragung abgewartet werden muss, bevor auch ältere Eintragungen gelöscht werden dürfen. Deren Tilgung wird durch die neuere Eintragung "gehemmt"; so erklärt sich der Begriff "Tilgungshemmung". Dabei wird die Tilgung einer Eintragung wegen einer Straftat nicht durch die Eintragung einer neueren Ordnungswidrigkeit gehemmt (§ 29 Abs. 6 Satz 3 StVG). Die Tilgungshemmung könnte gerade bei Ordnungswidrigkeiten dazu führen, dass über Jahrzehnte hinweg die Punkte "angesammelt" werden; daher bestimmt § 29 Abs. 6 Satz 4 StVG, dass auch ältere Ordnungswidrigkeiten jedenfalls nach fünf Jahren zu tilgen sind. In der Praxis bedeutet das, dass bei der Tilgung zwei Fristen nebeneinander zu beachten sind: Die Tilgungsfrist für die jüngste Eintragung und die Fünfjahresfrist. Das ist kompliziert und führt dazu, dass sich auch Mitarbeiter bei Behörden verrechnen. Dieser Irrtum wird u.U. erst aufgedeckt, wenn die Angelegenheit einer Überprüfung durch ein Gericht unterzogen wird mit der Folge, dass dem Betroffenen möglicherweise so lange zu Unrecht die Fahrerlaubnis entzogen war.

bb) Die Überliegefrist (§ 29 Abs. 6 Satz 2 und Abs. 7 Satz 1 StVG) führt zu einer weiteren Ablaufhemmung der Tilgungsfrist.[26] Wenn eine Tat vor Ablauf der Tilgungsfrist für eine vorangegangene Eintragung begangen war, aber bis zum Ablauf der Tilgungsfrist nicht in das Verkehrszentralregister eingetragen ist, würden nach den dargestellten Regeln die Punkte für die bislang eingetragene Zuwiderhandlung getilgt. Da die neue Tat zwar schon begangen, aber noch nicht rechtskräftig geahndet ist, hat sich der Betroffene im Straßenverkehr nicht bewährt. Da der Lauf der Tilgungsfrist bei Ordnungswidrigkeiten erst mit Rechtskraft beginnt (§ 29 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 StVG), ist es nur logisch, dass die Eintragung der neueren Verkehrsauffälligkeit so lange wie möglich hinausgezögert wird – eben bis die Tilgungsreife der bereits im Register eingetragenen Sanktionen eingetreten ist. Um die Einlegung solcher "taktischer Rechtsmittel" zu verhindern, wurde die "Überliegefrist" geschaffen. Jeder vor der Tilgungsreife der bereits eingetragenen Auffälligkeit begangene neue Verstoß hemmt die Tilgung der alten Eintragung, wenn der neue Verstoß innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Tilgungsreife des alten Verstoßes zu einer Eintragung im Verkehrszentralregister führt.[27] Die alte Eintragung wird für ein Jahr weitergeführt um zu sehen, ob es zu einer Neueintragung für eine vor der Tilgungsreife bereits begangen...

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