II.

"1. a) Die "Rechtsbeschwerde" des Betroffenen war als weitere Beschwerde auszulegen, da diese das statthafte Rechtsmittel (§ 66 Abs. 4 Satz 1 GKG) darstellt."

b) Die weitere Beschwerde ist zulässig. Sie richtet sich gegen eine Entscheidung des LG als Beschwerdegericht gemäß § 66 Abs. 2 GKG und wurde durch dieses in der angefochtenen Entscheidung zugelassen. Der Beschwerdeführer hat zudem statthafte Einwendungen geltend gemacht. Gemäß § 66 Abs. 4 Satz 2 GKG kann die weitere Beschwerde nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht, wobei die §§ 546, 547 ZPO entsprechend gelten. Der Beschwerdeführer muss daher geltend machen, dass ein absoluter Revisionsgrund im Sinne des § 547 ZPO vorliegt oder die Entscheidung aufgrund einer falschen Anwendung von Rechtsnormen oder Nichtanwendung von Rechtsnormen im Ergebnis fehlerhaft ist (vgl. Laube in BeckOK Kostenrecht, 42. Edition, § 66 GKG Rn 284 m.w.N.). Der Betroffene macht geltend, das AG habe den Sachverständigen entgegen einer jedenfalls im vorliegenden Fall bestehenden Anhörungspflicht ohne vorherige Anhörung des Betroffenen bestellt, macht mithin einen Verstoß gegen den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör (§ 46 Abs. 1 OWG in Verbindung mit § 33 Abs. 3 StPO) und damit einen Rechtsverstoß geltend.

2. Die weitere Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

a) Die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung ist kraft Gesetzes (§ 66 Abs. 4 Satz 2 GKG) darauf beschränkt, ob der Entscheidung ein Rechtsfehler zugrunde liegt. Eine Prüfung der Zweckmäßigkeit der Entscheidung findet nicht statt. Danach war ausschließlich zu prüfen, ob die vom Betroffenen beanstandeten Sachverständigenkosten aufgrund fehlerhafter Rechtsanwendung entstanden sind.

b) Das Gericht ist in Bußgeldsachen gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 OWiG berechtigt, nach Eingang der Akten einzelne Beweiserhebungen anzuordnen, worunter auch die erstmalige Anordnung der Einholung eines Sachverständigengutachtens fällt (vgl. Senge in KK-OWiG, 5. Auflage, § 71 Rn 26). Eine Gewährung rechtlichen Gehörs vor der Beweiserhebung ist aufgrund dieser Vorschrift grundsätzlich nicht veranlasst (vgl. Senge in KK-OWiG a.a.O. Rn 28). Umstritten ist jedoch, ob dem Betroffenen vor der Anordnung kostenträchtiger Beweiserhebungen ausnahmsweise rechtliches Gehör zu gewähren ist.

aa) Nach teilweise vertretener Auffassung ist dem Betroffenen im (gerichtlichen) Bußgeldverfahren vor der Anordnung kostenträchtiger Beweiserhebungen rechtliches Gehör zu gewähren und die Nichtgewährung daher als offensichtlicher Verfahrensverstoß zu behandeln, der die Nichterhebung der durch die Beweiserhebung entstandenen Verfahrenskosten zur Folge habe (vgl. LG Freiburg (Breisgau), Beschl. v. 17.5.1993 – III Qs 27/93, MDR 1993, 911; LG Baden-Baden, Beschl. v. 17.2.1994 – 1 Qs 32/94, juris; LG Leipzig, Beschl. v. 4.8.2009 – 5 Qs 48/09, JurBüro 2009, 598; LG Stuttgart, Beschl. v. 14.9.2021 – 20 Qs 16/21, AGS 2021, 513 = DAR 2022, 179; Krumm in Gassner/Seith, OWiG, 2. Auflage, § 71 Rn 55; Toussaint, Kostenrecht, 53. Auflage, § 21 Rn 21). Die Nichtgewährung rechtlichen Gehörs wird insoweit als Verstoß gegen den Rechtsgedanken des § 222 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG angesehen.

bb) Nach der Gegenauffassung muss das Gericht den Betroffenen im Bußgeldverfahren vor der Beauftragung eines Sachverständigen nicht ausdrücklich anhören und auf die voraussichtlichen Kosten des Gutachtens hinweisen. Ein allgemeiner Grundsatz, dass kostenverursachende Verfahrensmaßnahmen erst dann erfolgen dürfen, wenn der Betroffene hierüber informiert wurde, existiere nicht (vgl. LG Berlin, Beschl. v. 12.7.2016 – 501 Qs 84/15, VRS 130, 236; LG Berlin, Beschl. v. 20.10.2016 – 512 Qs 43/16, RVGreport 2017, 197 (Burhoff); Hettenbach in BeckOK OWiG, 39. Edition, § 71 Rn 31). Der Rechtsgedanke des § 222 StPO begründe im Bußgeldverfahren keine Pflicht zur Anhörung des Betroffenen vor Beauftragung eines Sachverständigen, da diese Norm den Prozessbeteiligten die sachgemäße Vorbereitung der Hauptverhandlung ermöglichen, jedoch die Amtsaufklärungspflicht des Gerichts nicht einschränken und einzelne Beteiligte auch nicht vor einem Kostenrisiko bewahren solle (vgl. LG Berlin, Beschl. v. 12.7.2016 – 501 Qs 84/15, BeckRS 2016, 106787). Dieser Auffassung hat sich die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung angeschlossen.

cc) Der erstgenannten Ansicht ist zuzustimmen. Dem Betroffenen ist im Bußgeldverfahren vor der Anordnung kostenintensiver Beweiserhebungen, insbesondere von regelmäßig mit hohen Kosten verbundenen Sachverständigengutachten, rechtliches Gehör zu gewähren.

Im Bußgeldverfahren ist es dem Betroffenen – anders als im Strafverfahren – möglich, das Verfahren durch Rücknahme des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid jederzeit und ohne Zustimmung eines anderen Verfahrensbeteiligten zu beenden. Bei der Entscheidung über eine Einspruchsrücknahme sind für den Betroffenen im Wege einer Risikoabwägung unter Berücksichtigung der mit der Rec...

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