"… I. Die StA dringt mit ihrem Einwand, der Tatrichter habe zu Unrecht ein fahrlässiges Handeln angenommen, vorliegend nicht durch. Der Einspruch des Betr. wurde wirksam auf die Rechtsfolgen beschränkt, so dass die fahrlässige Begehungsweise für den Tatrichter bindend feststand. Zwar wurde im Bußgeldbescheid v. 2.8.2019 keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen, ob ein vorsätzlicher oder ein fahrlässiger Verstoß angenommen wurde, jedoch wurde der Regelsatz von 160 EUR gemäß 11.3.7 BKatV bei einer außerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung zwischen 41 und 50 km/h nur wegen der Voreintragungen auf 240 EUR erhöht und nicht – wie im Falle eines vorsätzlichen Handelns gem. § 3 Abs. 4a BKatV vorgesehen – auf 320 EUR verdoppelt. Die Beträge des Bußgeldkatalogs, an den die Behörde grds. gebunden ist, gehen von fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen aus (§ 1 Abs. 2 S. 2 BKatV). Setzt die Verwaltungsbehörde für einen dem Katalog entsprechenden Tatbestand ohne weiteres die dort vorgesehene Regelgeldbuße fest, gibt sie damit zu erkennen, dass sie dem Betr. fahrlässiges Handeln zur Last legt (vgl. OLG Rostock, Beschl. v. 16.8.2001 – 2 Ss (OWi) 158/01 I 110/01 in NZV 2002, 137). Hieran war das AG durch die wirksame Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen auch gebunden."

II. Ebenso war der vom AG angenommene kompensationslose Wegfall des Regelfahrverbots von einem Monat aufgrund eines Augenblickversagens des Betr. vorliegend nicht zu beanstanden.

1. Der Tatrichter hat bei der Prüfung der Anordnung des Regelfahrverbots eine grobe Pflichtverletzung i.S.d. § 25 StVG “eigentlich' bejaht, ist aber aufgrund der Angaben des Betr. von einem kompensationslosen Wegfall aufgrund eines Augenblickversagens ausgegangen. Zur Begründung wird im Urteil ausgeführt, dass der Betr. unter fahrlässiger Missachtung von Verkehrszeichen seine Geschwindigkeit nicht angepasst habe, weil er in Sorge um das Lebens seines Kindes gewesen sei und zu ihm fahren wollte. Durch die (vom Betr.) geschilderten Umstände sei der Handlungsunwert des Verstoßes so weit herabgesetzt, dass die Grundvoraussetzung für die Anordnung eines Fahrverbots nicht gegeben sei, § 25 StVG.

Das AG hat damit ersichtlich die Erforderlichkeit der Nebenfolge verneint. Diese Wertung hält sich im Rahmen des dem Tatrichter insoweit zustehenden Ermessens. Die grobe Pflichtverletzung i.S.d. § 25 StVG ist durch ein objektives und subjektives Element charakterisiert. Objektiv betrifft sie Ordnungswidrigkeiten von Gewicht, also abstrakt oder konkret gefährliche Ordnungswidrigkeiten, die immer wieder Ursache schwerer Unfälle sind (Erfolgsunwert); in subjektiver Hinsicht zeichnen sich grobe Pflichtverletzungen durch besondere Verantwortungslosigkeit (grober Leichtsinn, grobe Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit) aus (Handlungsunwert). Ausnahmsweise kann von der Anordnung abgesehen werden, wenn greifbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich die Tat von den genannten Regelfällen zugunsten des Betr. unterscheidet und hierdurch die tatbestandsbezogene oder die rechtsfolgenbezogene Vermutung entkräftet wird. Hierfür hat der Tatrichter eine auf Tatsachen gestützte, besonders eingehende Begründung zu geben, in der im Einzelnen darzulegen ist, welche (besonderen) Umstände es gerechtfertigt erscheinen lassen, von dem Regelfahrverbot abzusehen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.8.2005 – 1 Ss 81/05 m.w.N.). Kein subjektiv schwerer Verstoß wird in den Fällen des sog. Augenblicksversagens angenommen (vgl. MüKoStVR/Asholt, 1. Aufl. 2016, StVG § 25 Rn 11; Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 25 StVG (Stand: 3.1.2020), Rn 18). Ein Augenblicksversagen ist nur im Falle einer momentanen Unaufmerksamkeit bzw. eines kurzzeitigen Fehlverhaltens gegeben (vgl. BGH, Urt. v. 29.1.2003 – IV ZR 173/01, NJW 2003, 1118), wie es auch dem sorgfältigen und pflichtbewussten Kraftfahrer unterlaufen kann (BGH, Beschl. v. 11.9.1997 – 4 StR 638/96; Urt. v. 29.1.2003 – IV ZR 173/01, NJW 2003, 1118; OLG Bamberg, Beschl. v. 27.1.2017 – 3 Ss OWi 50/17; 4.1.2016 – 3 Ss OWi 1490/15 [bei juris]). Es ist mithin dadurch gekennzeichnet, dass der Handelnde für eine kurze Zeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (vgl. BGH, Urt. v. 10.5.2011 – VI ZR 196/10, VersR 2011, 916; OLG Bamberg, Beschl. v. 22.12.2015 – 3 Ss OWi 1326/15) kommt also von vornherein nur bei einfacher Fahrlässigkeit in Betracht (vgl. BGH, Beschl. v. 11.9.1997 – 4 StR 638/96; OLG Bamberg, Beschl. v. 1.12.2015 – 3 Ss OWi 834/15, StraFo 2016, 116) und scheidet deshalb aus, wenn der Betr. vorsätzlich gehandelt und sich damit bewusst über das Recht hinweggesetzt hat.

Das AG hat vorliegend ein solches Augenblicksversagen ermessensfehlerfrei festgestellt. Hierzu legte es die Schilderungen des Betr. zugrunde, dass sein jüngstes Kind in der Klinik in Homburg gewesen sei und sich die Ärzte um den richtigen Ablauf der Behandlung gestritten hätten. Alle hätten sich große Sorgen gemacht, nach der HNO-Operation habe da...

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