Verfahrensgang

AG Landstuhl (Entscheidung vom 27.08.2020; Aktenzeichen 2 OWi 4211 Js 13816/19)

 

Tenor

  1. Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Landstuhl vom 27. August 2020 wird als unbegründet verworfen.
  2. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die dadurch veranlassten notwendigen Auslagen des Betroffenen hat die Landeskasse zu tragen.
 

Gründe

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 43 km/h zu einer Geldbuße von 240 Euro verurteilt. Von der Verhängung eines Fahrverbots hat es wegen Annahme eines Augenblickversagens des Betroffenen abgesehen (§ 25 StVG).

Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig, jedoch nicht begründet.

I.

Die Staatsanwaltschaft dringt mit ihrem Einwand, der Tatrichter habe zu Unrecht ein fahrlässiges Handeln angenommen, vorliegend nicht durch. Der Einspruch des Betroffenen wurde wirksam auf die Rechtsfolgen beschränkt, so dass die fahrlässige Begehungsweise für den Tatrichter bindend feststand. Zwar wurde im Bußgeldbescheid vom 2. August 2019 keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen, ob ein vorsätzlicher oder ein fahrlässiger Verstoß angenommen wurde, jedoch wurde der Regelsatz von 160 Euro gemäß 11.3.7 BKatV bei einer außerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung zwischen 41 und 50 km/h nur wegen der Voreintragungen auf 240 Euro erhöht und nicht - wie im Falle eines vorsätzlichen Handelns gemäß § 3 Abs. 4a BKatV vorgesehen - auf 320 Euro verdoppelt. Die Beträge des Bußgeldkatalogs, an den die Behörde grundsätzlich gebunden ist, gehen von fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen aus (§ 1 Abs. 2 Satz 2 BKatV). Setzt die Verwaltungsbehörde für einen dem Katalog entsprechenden Tatbestand ohne Weiteres die dort vorgesehene Regelgeldbuße fest, gibt sie damit zu erkennen, dass sie dem Betroffenen fahrlässiges Handeln zur Last legt (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 16. 8. 2001 - 2 Ss (OWi) 158/01 I 110/01 in NZV 2002, 137). Hieran war das Amtsgericht durch die wirksame Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen auch gebunden.

II.

Ebenso war der vom Amtsgericht angenommene kompensationslose Wegfall des Regelfahrverbots von einem Monat aufgrund eines Augenblickversagens des Betroffenen vorliegend nicht zu beanstanden.

1. Der Tatrichter hat bei der Prüfung der Anordnung des Regelfahrverbots eine grobe Pflichtverletzung im Sinne des § 25 StVG "eigentlich" bejaht, ist aber aufgrund der Angaben des Betroffenen von einem kompensationslosen Wegfall aufgrund eines Augenblickversagens ausgegangen. Zur Begründung wird im Urteil ausgeführt, dass der Betroffene unter fahrlässiger Missachtung von Verkehrszeichen seine Geschwindigkeit nicht angepasst habe, weil er in Sorge um das Lebens seines Kindes gewesen sei und zu ihm fahren wollte. Durch die (vom Betroffenen) geschilderten Umstände sei der Handlungsunwert des Verstoßes so weit herabgesetzt, dass die Grundvoraussetzung für die Anordnung eines Fahrverbots nicht gegeben sei, § 25 StVG.

Das Amtsgericht hat damit ersichtlich die Erforderlichkeit der Nebenfolge verneint. Diese Wertung hält sich im Rahmen des dem Tatrichter insoweit zustehenden Ermessens. Die grobe Pflichtverletzung im Sinne des § 25 StVG ist durch ein objektives und subjektives Element charakterisiert. Objektiv betrifft sie Ordnungswidrigkeiten von Gewicht, also abstrakt oder konkret gefährliche Ordnungswidrigkeiten, die immer wieder Ursache schwerer Unfälle sind (Erfolgsunwert); in subjektiver Hinsicht zeichnen sich grobe Pflichtverletzungen durch besondere Verantwortungslosigkeit (grober Leichtsinn, grobe Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit) aus (Handlungsunwert). Ausnahmsweise kann von der Anordnung abgesehen werden, wenn greifbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich die Tat von den genannten Regelfällen zugunsten des Betroffenen unterscheidet und hierdurch die tatbestandsbezogene oder die rechtsfolgenbezogene Vermutung entkräftet wird. Hierfür hat der Tatrichter eine auf Tatsachen gestützte, besonders eingehende Begründung zu geben, in der im Einzelnen darzulegen ist, welche (besonderen) Umstände es gerechtfertigt erscheinen lassen, von dem Regelfahrverbot abzusehen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8.8.2005, Az. 1 Ss 81/05 m.w.N.). Kein subjektiv schwerer Verstoß wird in den Fällen des sog. Augenblicksversagens angenommen (vgl. MüKoStVR/Asholt, 1. Aufl. 2016, StVG § 25 Rn. 11; Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 25 StVG (Stand: 03.01.2020), Rn 18). Ein Augenblicksversagen ist nur im Falle einer momentanen Unaufmerksamkeit bzw. eines kurzzeitigen Fehlverhaltens gegeben (vgl. BGH, Urteil vom 29.01.2003, Az. IV ZR 173/01 in NJW 2003, 1118), wie es auch dem sorgfältigen und pflichtbewussten Kraftfahrer unterlaufen kann (BGH, Beschluss vom 11.09.1997, Az. 4 StR 638/96; Urteil vom 29.01.2003, Az. IV ZR 173/01 in NJW 2003, 1118; OLG Bamberg, Beschluss vom 27.01.2017, Az. 3 Ss OWi 50/17; 04.01.2016, A...

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