RL 91/439/EWG Art. 8 Abs. 2 und 4; FeV § 28 Abs. 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 u. 4, S. 3; StGB § 69a Abs. 1 S. 3

Leitsatz

1. § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 FeV erfasst nicht nur den Fall, in dem zuerst eine isolierte Sperre nach § 69a Abs. 1 S. 3 StGB verhängt und anschließend eine EU-Fahrerlaubnis erteilt wird. Vielmehr ist die Vorschrift auch dann anwendbar, wenn zuerst eine EU-Fahrerlaubnis erteilt und danach eine isolierte Sperre verhängt wird.

2. Die Anordnung einer isolierten Sperre steht der Anerkennung der ausländischen EU-Fahrerlaubnis bis zum Eintritt der Tilgung der Eintragung im Verkehrszentralregister entgegen.

3. Für die Annahme, dass für die Zeit nach Ablauf der Sperrfrist und bis zur Tilgungsreife der isolierten Sperre eine Regelungslücke bestehe, die durch eine analoge Anwendung des § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 FeV zu schließen sei, ist kein Raum (BayVGH zfs 2011, 176).

4. Die Nichtanerkennung der EU-Fahrerlaubnis gem. § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 FeV wegen der Anordnung einer isolierten Sperre ist mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Denn bei der Verhängung einer isolierten Sperre handelt es sich um eine mit den Maßnahmen nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG (Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis; ebenso Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG) gleichzustellende Maßnahme.

(Leitsätze der Schriftleitung)

BayVGH, Urt. v. 19.11.2012 – 11 BV 12.21

1 Aus den Gründen:

[1] "… 1. Die zulässige Berufung [gegen das Urt. des BayVG München v. 22.11.2011 – M 1 K 11.4477] ist nicht begründet. Der Kl. ist nicht berechtigt, aufgrund seiner tschechischen Fahrerlaubnis v. 21.3.1996 Kfz in der Bundesrepublik Deutschland zu führen."

[2] Gem. § 28 Abs. 1 S. 1 FeV dürfen Inhaber einer gültigen EU-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz i.S.d. § 7 Abs. 1oder 2 FeV in der Bundesrepublik Deutschland haben, – vorbehaltlich der Einschränkungen nach den Abs. 2 bis 4 – im Umfang ihrer Berechtigung Kfz im Inland führen. Es spricht sehr viel dafür, dass der Kl. seit dem Beitritt der Tschechischen Republik zur EU am 1.5.2004 diese Voraussetzung erfüllt (nachfolgend unter1.1).

[3] Seiner Berechtigung nach § 28 Abs. 1 FeV zum Führen von Kfz im Inland steht jedoch die Einschränkung des § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 4, S. 3 FeV entgegen (nachfolgend unter 1.2).

[4] 1.1 Der Kl. ist seit dem Beitritt der Tschechischen Republik zur EU mit hoher Wahrscheinlichkeit Inhaber einer gültigen EU-Fahrerlaubnis. Nach Art. 1 Abs. 2 der im vorliegenden Fall noch anwendbaren (vgl. Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG) Richtlinie 91/439/EWG des Rates v. 29.7.1991 über den Führerschein (ABl L 237 v. 24.8.1991, S. 1 bis 24) – künftig Richtlinie 91/439/EWG – werden die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine gegenseitig anerkannt. Hierzu bestimmt Art. 10 Abs. 1 dieser Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten nach Zustimmung der Kommission die Äquivalenzen zwischen den Führerscheinen, die sie vor dem Zeitpunkt, zu dem sie dieser Richtlinie spätestens nachzukommen haben, ausgestellt haben, und den Führerscheinen i.S.d. Art. 3 festlegen. Das ist bezüglich der Tschechischen Republik durch die Entscheidung der Kommission v. 25.8.2008 über Äquivalenzen zwischen Führerscheinklassen (2008/766/EG – ABl L 270/31 v. 10.10.2008) geschehen. Im Anhang I zu dieser Entscheidung sind im Abschnitt "Modell Tschechische Republik 3 (CZ3)" die Äquivalenzen zwischen den Führerscheinklassen von in der Zeit vom 1.1.1993 bis zum 30.6.1993 in der Tschechischen Republik ausgestellten Führerscheinen und den entsprechenden EU-Führerscheinklassen dargestellt. Daraus ergibt sich, dass die im tschechischen Führerschein des Kl. v. 21.3.1996 aufgeführten Klassen A und B den Klassen A und B des EU-Führerscheinrechts entsprechen.

[5] Mit dem VG ist auch der Senat der Auffassung, dass der Gültigkeit der tschechischen Fahrerlaubnis v. 21.3.1996 der Umstand, dass der Kl. ausweislich von Feld 4 des entsprechenden Führerscheins bei dessen Ausstellung seinen Wohnsitz in Deutschland gehabt hat, wohl nicht entgegensteht. Bei Ausstellung des Führerscheins bestand noch keine gemeinschaftsrechtliche Regelung, nach der eine Fahrerlaubnis nur einer Person ausgestellt werden durfte, die ihren ordentlichen Wohnsitz im Ausstellerstaat hatte. Nach Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/ EWG ist diese erst am 1.7.1996 in Kraft getreten. Vor allem aber ist die Tschechische Republik erst am 1.5.2004 der EU beigetreten.

[6] Dass bei Führerscheinausstellung am 21.3.1996 eine entsprechende nationale Regelung bestand, ist nicht anzunehmen, da die tschechischen Behörden in zahlreichen Fällen in der Zeit seit dem Beitritt der Tschechischen Republik zur EU bis zur Umsetzung des in der zweiten Führerscheinrichtlinie aufgestellten Wohnsitzerfordernisses in das tschechischen Recht mit Wirkung zum 1.7.2006 EU-Fahrerlaubnisse an Personen erteilt haben, die ihren ordentlichen Wohnsitz nicht in der Tschechischen Republik hatten. Dies ist dem Senat aus zahlreichen bei ihm anhängig gewesenen Verwaltungsstreitsachen bekannt.

[7] Die Verp...

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