1. Die vorliegende Entscheidung des BGH vom 18.11.2008 stellt klar, dass in einem 130-%-Fall nach Durchführung einer vollständigen und fachgerechten Reparatur der oberhalb des Wiederbeschaffungsaufwandes liegende Anspruch im Regelfall nicht erst sechs Monate nach dem Unfall, sondern sofort mit dem Unfallereignis fällig wird. Dies folgt daraus, dass es sich beim Erfordernis einer Weiternutzung des Fahrzeugs für einen Zeitraum von sechs Monaten um keine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung handelt, sondern die Frist lediglich eine beweismäßige Bedeutung entfaltet.
  2. Dies gilt in den 130-%-Fällen sowohl bei konkreter Abrechnung des Reparaturaufwandes durch Vorlage einer Reparaturrechnung als auch bei fiktiver Abrechnung nach Sachverständigengutachten (auf Grund einer Reparatur in Eigenregie). In beiden Fällen muss der Geschädigte lediglich eine vollständige und fachgerechte Reparatur seines Fahrzeugs nachweisen, um den fälligen Anspruch in Höhe des Reparaturaufwandes (einschließlich des merkantilen Minderwerts) geltend machen zu können.
  3. Die Entscheidung lässt sich darüber hinaus auch auf die 100-%-Fälle übertragen, in denen der BGH für die Abrechnung des Reparaturaufwandes wegen fehlender konkreter Abrechnung nach Reparaturrechnung ebenfalls eine Weiternutzung für einen Zeitraum von sechs Monaten verlangt. In diesen Fällen ist für die Geltendmachung des fälligen Anspruchs in Höhe des Reparaturaufwandes lediglich eine ggf. erforderliche Teilreparatur zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit nachzuweisen.
  4. Der Haftpflichtversicherer des Schädigers ist in den genannten Fällen berechtigt, die Zahlung des über dem Wiederbeschaffungsaufwand liegenden Betrags unter einem Rückforderungsvorbehalt zu leisten.
  5. Dem Haftpflichtversicherer steht im Falle der Leistung unter Rückforderungsvorbehalt nach Ablauf von sechs Monaten seit dem Unfallereignis ein Auskunftsanspruch gegen den Geschädigten zu. Dieser ist darauf gerichtet zu erfahren, ob der Geschädigte das Fahrzeug innerhalb der Sechsmonatsfrist weitergenutzt oder vor deren Ablauf veräußert hat.
  6. Im Falle der Auskunftsverweigerung durch den Geschädigten bietet sich dem Versicherer prozessual die Möglichkeit der Auskunftsklage, der Stufenklage oder der unmittelbaren Leistungsklage auf Rückzahlung der Differenz zwischen Reparatur- und Wiederbeschaffungsaufwand. Der Rückzahlungsanspruch ergibt sich materiell-rechtlich aus der Leistungskondiktion des § 812 Abs. 1 BGB wegen Fehlens bzw. späteren Wegfalls des rechtlichen Grundes der Leistung.
  7. Im Falle der unmittelbaren Leistungsklage auf Rückzahlung der Differenz trifft den Geschädigten eine sekundäre Behauptungslast zur Frage, ob er sein unfallbeschädigtes Fahrzeug innerhalb der Sechsmonatsfrist weitergenutzt oder vor Ablauf der Frist veräußert hat. Insoweit ist es dem Geschädigten zuzumuten, zur Substanziierung ihm verfügbare Unterlagen vorzulegen, z.B. die Zulassungsbescheinigung, einen Kaufvertrag über den Verkauf des Fahrzeugs nach Ablauf der Sechsmonatsfrist, eine entsprechende Ummeldebescheinigung o.Ä.
  8. Der konkrete Umfang der Vorlagepflicht hängt vom Einzelfall, insbesondere von den Behauptungen des Geschädigten zum Verbleib des Fahrzeugs ab. Das Gericht hat den Geschädigten ggf. nach § 139 ZPO auf die Vorlagepflicht im konkreten Fall hinzuweisen oder unmittelbar die Vorlage konkreter Unterlagen nach § 142 ZPO anzuordnen.
  9. Macht der Geschädigte auch im Prozess keine Angaben zur Weiternutzung bzw. Veräußerung des Fahrzeugs oder kommt er der vorgenannten gesteigerten Substanziierungspflicht nicht nach, ist auf Grund der ihn treffenden sekundären Behauptungslast die Rückforderungsklage begründet.
  10. Legt der Geschädigte erst im Prozess substanziiert dar, dass er sein Fahrzeug nach dem Unfall noch für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten weitergenutzt hat, kann der Versicherer im Falle der Auskunfts- oder Stufenklage den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären. Dadurch kann er gem. § 91a ZPO eine Kostentragungspflicht des Geschädigten erreichen, soweit dieser trotz (nachweisbarer) Aufforderung (vgl. § 93 ZPO) seiner vorprozessualen Auskunftspflicht nicht nachgekommen ist und folglich die Klage bis zur Auskunftserteilung begründet war.
  11. Legt der Geschädigte die entsprechende Weiternutzung in der unmittelbaren Leistungsklage auf Rückzahlung der Differenz dar, liegt kein erledigendes Ereignis vor, da die Klage von Anfang an unbegründet war. In diesem Fall kann der Versicherer jedoch entsprechend der Rechtsprechung zur Drittschuldnerklage bei Verstoß gegen die Auskunftspflicht des Drittschuldners aus § 840 ZPO mit seiner anhängigen Klage gem. §§ 263, 264 Nr. 3 ZPO den materiellen Kostenerstattungsanspruch mit der Feststellungsklage oder bezifferten Leistungsklage geltend machen.
  12. Die Anspruchsgrundlage eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs dürfte sich im Falle des Verzuges mit der Auskunftspflicht des Geschädigten nach Ablauf der Sechsmonatsfrist jedenfalls aus § 286 BGB ergeben. Stellt sich sodann allerdi...

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